Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
zu.
»Der Schein bestimmt das Bewusstsein«, sagt es.
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, offensichtlich ist es mal wieder gelungen, die Behörde zu bestechen«, sagt das Känguru.
»Was heißt hier bestechen?«, sagt der Mann. »Wir müssen diese Leute nicht bestechen. Die bekommen ein ganz reguläres Gehalt von uns.«
Er schiebt seine Gabel zweimal vom Teller in den Mund und schluckt hastig.
»Sie müssen verstehen, Flughäfen sind die Versuchslaboratorien unserer Gesellschaft«, fährt er fort. »Dort wird ausgetestet, was sich die Menschen alles bieten lassen. Ein Schluck Wasser für fünf Euro. Schuhe ausziehen und sich von Fremden betatschen lassen. Hundert Euro extra, weil der Koffer einen Zentimeter zu groß ist. Die Leute akzeptieren wirklich viel.« Er wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. »Wenn das Verbot von frischem Gemüse dort auf keinen Widerstand stößt, könnten wir es bald deutschlandweit, ja EU-weit, weltweit einführen!«
Der Mann streckt dem Känguru seine Hand hin.
»Ich heiße übrigens …«
»Sagen Sie nichts«, unterbricht es ihn. »Einst war ich nämlich einer der berühmtesten Gedankenleser der Welt.«
Es hält sich seine Pfote an die Stirn.
»Gregor«, sagt es schließlich.
»Beeindruckend!«, ruft der Mann.
Ich blicke auf das Namensschild an seinem Jackett und gähne.
»Wie machen Sie das?«, fragt Gregor.
»Ach …«, sagt das Känguru. »Je schlichter das Gemüt … Zu meiner großen Zeit war ich recht gut im Geschäft. Ich nannte mich ›The Mentalist‹.«
Es macht eine wirre Geste mit seinen Pfoten.
»Sie fragen sich, warum Sie noch nie von mir gehört haben«, sagt es.
»Richtig!«
»Ich war lange weg.«
»Warum?«
»Ich wusste, dass Sie das fragen würden!«
»Erstaunlich.«
»Vor Jahren habe ich für einen großen Auftritt meinerseits am 12. September 2001 mit einem Poster geworben, auf dem stand: ›Fun! The Mentalist!‹ Nun gebe ich rückblickend zu, dass die Wortzusammenstellung ›Fun! The Mentalist!‹ etwas ungeschickt war. Auch der komplette Titel ›Fun! The Mentalist! He will blow your mind.‹ war nicht glücklich gewählt. Jedenfalls entführte mich noch vor dem Auftritt die CIA, und ich habe die zehn darauffolgenden Jahre im Keller eines Reihenhauses in Friedberg, Hessen, zugebracht.«
Wieder macht es eine wirre Geste.
»Sie fragen sich, warum so lange«, sagt es.
»Ja!«
»Nach ein paar Runden Waterboarding haben die Agenten zwar eingesehen, dass ich kein Fundamentalist bin, dachten sich aber, dass sie einen Gedankenleser für ihre Sache gut gebrauchen könnten, und führten mir reihenweise Terrorverdächtige vor. Nun kann ich zwar Gedanken lesen, aber leider kein Arabisch. Völlig eingeschüchtert habe ich darum einfach irgendwelche Geständnisse erfunden, denn zum Glück wusste ich ja, was die Agenten dachten, wusste, was sie hören wollten. Also habe ich Geschichten erdichtet über Massenvernichtungswaffen im Irak. Erst viel später fand ich heraus, was ich damit angerichtet habe.«
»Was denn?«, fragt Gregor.
Das Känguru verdreht die Augen.
»Das führt anscheinend zu weit«, sagt es.
Plötzlich hält das Känguru Gregor ein Passfoto unter die Nase und brüllt: »KENNEN SIE DIESEN PINGUIN?!?«
»Wie?«, ruft Gregor überrascht. »Oh! Ja, natürlich. Das ist doch unser neuer Controller.«
»Ist er hier?«, fragt das Känguru aufgeregt.
»Nein, ich glaube, er ist gleich nach seiner Ansprache wieder gegangen. Er wirkte etwas gestresst.«
»Verdammt«, sagt das Känguru. »Aber er war hier …« Es dreht sich zu mir und öffnet seine Pfote.
Ich gebe dem Känguru zehn Euro. Es gibt mir fünf Cent zurück.
»Der Pinguin ist der Controller eines Tiefkühlkostkonzernes«, sage ich kopfschüttelnd. »Ich musste darauf wetten, dass das Quatsch ist.«
»Kann man davon eigentlich leben?«, fragt Gregor.
»Wovon?«, fragt das Känguru unkonzentriert. »Vom Wetten?«
»Nein, vom … na, Sie wissen schon …«
»Woher soll ich das denn wissen?«, fragt das Känguru verärgert. »Kann ich etwa Gedanken lesen?«
»Genau«, sagt Gregor. »Kann man davon leben?«
»Ach so«, sagt das Känguru. »Ja, natürlich. Ich schleiche mich einfach auf Veranstaltungen mit vielen reichen Menschen ein und bringe diese dazu, an ihre Geheimzahl zu denken. Ein befreundeter Taschendieb«, das Känguru deutet auf mich, »besorgt dann später die EC-Karten.«
Gregor fasst sich reflexhaft an die rechte Jacketttasche
»Das Lustige ist, man muss
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