Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
deinen.«
»Du meinst, wir könnten unsere Waren eins zu eins tauschen?«
»Darauf wollte ich hinaus.«
Das Känguru holt seine Boxhandschuhe aus seinem Beutel.
»Kannste vergessen«, sagt es. »Wenn hier einer Gewaltfreiheit verkauft, dann bin ich das. Und jetzt wird es richtig teuer für dich, Freundchen.«
»Ist er schon wieder eingeschlafen?«, fragt das Känguru und blickt von seinem Buch auf.
Ich zucke mit den Schultern und stupse Friedrich-Wilhelm an.
Er schreckt hoch und schüttelt sich.
»Mein Körper ist ein ausgetrockneter Schwamm«, sagt er, »und er saugt Schlaf.«
Das Känguru ist schon wieder in sein Buch versunken.
»Was liest du da eigentlich?«, fragt Friedrich-Wilhelm.
»Eine Trilogie«, sagt das Känguru.
»Was sonst …«, sage ich.
»Die Welt ohne Eigenschaften«, sagt das Känguru. »Drei Romane komplett ohne Adjektive. Anstrengend.«
Friedrich-Wilhelm niest unglaublich laut.
»Wisst ihr, all diese Seuchenfilme«, sagt er, » Outbreak , 12 Monkeys , 28 days later … Die sind alle Quatsch. Wenn wirklich mal eine tödliche Pandemie ausbricht, dann kommt der Virus nicht aus dem Dschungel und auch nicht aus Tierversuchslaboratorien, sondern aus einer Kita.«
Er muss wieder niesen.
»Wahrscheinlich sogar aus unserer Kita.«
»Und wie geht’s denn deinem kleinen … äh … Kind?«, frage ich.
»Du hast schon wieder vergessen, wie es heißt«, sagt Friedrich-Wilhelm. »Und nicht nur das, du hast sogar vergessen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.«
»Ach, Junge, Mädchen …«, sage ich. »Das sind doch bürgerliche Kategorien!«
»Es ist ein Junge«, sagt Friedrich-Wilhelm, »und …«
Das Känguru taucht wieder aus seinem Buch auf.
»Habt ihr schon einen Namen?«, fragt es.
»Der Junge ist fünfzehn Monate alt«, sagt Friedrich-Wilhelm. »Natürlich haben wir schon einen Namen!«
»Lass mich raten«, sagt das Känguru. »Er heißt Friedrich-Wilhelm der Zweite.«
»Nein. Er heißt Bartholomäus.«
»Oh …«, sage ich.
»Ja. Oh …«, sagt Friedrich-Wilhelm.
»Das finde ich gut«, sagt das Känguru. »Ein ganz normaler Name. Nicht so etwas angeberisch Abgehobenes.«
»Jetzt wollen wir noch zwei Mädchen«, sagt Friedrich-Wilhelm. »Die eine soll Elisabeth heißen. Die andere Margarete.«
»Aha. Bart, Lisa und Maggie?«, fragt das Känguru.
»Ja«, sagt Friedrich-Wilhelm. »Was dagegen?«
»Dein Ding, Homer«, sage ich.
»Was macht ihr, wenn eure Elisabeth ein Junge wird?«, fragt das Känguru.
»Dann wird er es schwer haben auf dem Schulhof«, sagt Friedrich-Wilhelm.
»Ich finde, du hättest deinen Sohn lieber Friedrich-Wilhelm den Zweiten nennen sollen«, sagt das Känguru.
»Das wäre historisch inkorrekt gewesen«, sage ich. »Der Sohn von Friedrich-Wilhelm dem Ersten müsste korrekterweise Friedrich der Zweite heißen. Es sei denn, wir sprächen nicht vom sogenannten Soldatenkönig Friedrich-Wilhelm, sondern vom sogenannten Großen Kurfürsten Friedrich-Wilhelm, aber auch dann dürfte unser Freund hier seinen Sohn nicht Friedrich-Wilhelm nennen, sondern wiederum Friedrich, allerdings den Dritten beziehungsweise den Ersten. Weil der der dritte Kurfürsten-Friedrich war, aber der erste Königs-Friedrich. König in Preußen übrigens und nicht von, eine kleine Präposition, die ihm Stress mit Kaiser Leopold ersparen sollte. Dieser dritte beziehungsweise erste Friedrich war dann übrigens der Vater vom ersten Königs-Friedrich-Wilhelm. Das ist ein wenig verwirrend, ich weiß. Aber so wäre es historisch korrekt.«
»Deine Obsession mit dem preußischen Königshaus finde ich immer wieder verstörend«, sagt das Känguru.
Friedrich-Wilhelm schnarcht. Ich stupse ihn an.
»Liste von Dingen, die ich heute lieber nicht gesehen hätte«, sagt er. »Erstens: Sonnenaufgang.«
Er niest noch einmal.
»Bart hat mich echt schon wieder angesteckt …« Friedrich-Wilhelm seufzt. »Ach, die Evolution hat das schon sehr geschickt gemacht«, sagt er. »Kein Erwachsener würde sich je freiwillig um so ein schreiendes, zeit- und schlafraubendes Bündel Hilflosigkeit kümmern, wenn es nicht so verdammt niedlich wäre. Man könnte sich aber durchaus auch eine Parallelwelt vorstellen, in der die Kinder total hässlich, aber sehr hilfsbereit sind. Ich denke, das würde auch funktionieren. Also quasi: Die Babys kommen aus dem Mutterleib raus, sehen wirklich widerwärtig aus, machen aber als Erstes mal den Abwasch und erzählen einem danach, was man für ein toller Typ ist.
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