Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Titel: Die Känguru-Offenbarung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
Vom Netzwerk:
Wenn ich mich zwischen den Welten entscheiden dürfte … ich müsste länger darüber nachdenken.«
    »Und sonst so?«, fragt das Känguru.
    »Bart kriegt schon Trotzanfälle«, sagt Friedrich-Wilhelm. »Das solltet ihr mal sehen.«
    »Würgst du ihn dann?«, frage ich.
    »Er wirft sich auf den Boden, strampelt und schreit und ist überhaupt nicht mehr ansprechbar«, sagt Friedrich-Wilhelm. »Das wäre übrigens auch mal eine interessante Vorgehensweise für einen Anti-Terror-Anschlag.«
    »Immerhin bist du nicht einer von denen, die, weil sie zufälligerweise ein Kind gekriegt haben, nur noch über ihre Kinder reden«, sagt das Känguru.
    »Was soll ich machen?«, sagt Friedrich-Wilhelm. »Die Thronfolge war für uns Hohenzollern immer schon eine wichtige Angelegenheit.«
    »Apropos«, sage ich. »Um das kurz zu Ende zu bringen: Es sollte nämlich außer dem Kaiser keinen König im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation geben. Da der Kurfürst von Brandenburg, eben besagter Friedrich der Dritte, aber auch Gebiete außerhalb des Reiches besaß, Preußen nämlich, beschloss man, er könne König sein ›in‹ Preußen, aber nicht ›von‹, weil …«
    Ich blicke zu Friedrich-Wilhelm.
    »Ist er schon wieder eingeschlafen?«, fragt das Känguru.
    Ich nicke.
    »Vielleicht sollte lieber einer von uns beiden fahren«, sagt das Känguru.

»Der angerufene Teilnehmer antwortet nicht.«
    Gott
    Ich parke das Auto.
    »Vorsicht! Die riesige Eiche da!«, ruft das Känguru.
    »Ah. Mein alter Erzfeind«, sage ich.
    Friedrich-Wilhelm hängt auf der Rückbank seines Autos und schnarcht. Wir lassen ihn schlafen und betreten die Klosterkirche, die laut einem Schild am Eingang »das schönste Beispiel nordostdeutscher Backsteingotik nordöstlich von Stralsund« ist.
    Ich bewundere die kunstvoll gemauerten Ornamente.
    »Ostern und Weihnachten feiern und beschenken sich die Leute, aber was in der Bibel steht, das weiß doch kaum einer mehr«, sage ich. »Es ist eine Schande.«
    Kurz blickt mich das Känguru irritiert an. Dann lachen wir herzlich.
    »Für eine Sekunde dachte ich, du meinst das ernst«, sagt es.
    Das Känguru trägt einen Glitzeranzug mit Schlaghosen, eine Pornosonnenbrille und eine Perücke mit Tolle.
    Wir gehen in Richtung Altar.
    »Ich wusste gar nicht, dass es so weit im Nordosten überhaupt noch Katholiken gibt«, sage ich.
    »Tja. Die sind zäh«, sagt das Känguru.
    »Ich bin ja ausgetreten«, sage ich. »Aber irgendwie mag ich die katholische Kirche. Es ist so ein abgefahrener Verein.«
    »Am besten finde ich diese Reliquien«, sagt das Känguru.
    »Ja!«, sage ich. »Im Aachener Dom liegen zum Beispiel die Windeln Christi. Kannste hingehen und anbeten.«
    »Glaubst du, daher kommt der Spruch: ›Ach du heilige Scheiße!‹?«
    »Und sie bauen ernsthaft immer noch Reliquien in ihre Altäre ein. In Krakau haben sie erst jetzt gerade eine ganze Kirche um eine Krankenhausampulle mit Blut von Johannes Paul dem Zweiten gebaut.«
    »John-Paul-the-Second hieß der ja auf Englisch«, sagt das Känguru.
    »Das klingt nicht nach einem Papst, sondern nach ’ner schlechten Beatles-Coverband.«
    »Meine Lieblingsreliquie ist die heilige Vorhaut Jesu«, sagt das Känguru.
    »Wie bitte?!«
    »Das ist kein Scherz!«, sagt das Känguru. »Die gab es wirklich! Ganz offiziell von der katholischen Kirche anerkannt. Und es gab sie nicht nur einmal. Sondern dreizehnmal.«
    »Abgefahrener Verein …«
    »Ja«, sagt das Känguru. »Aber im 17. Jahrhundert hat Leo Allatius, ein Kurator der Vatikanischen Bibliothek, in seinem Vortrag über die Vorhaut unseres Herrn Jesus Christus die Echtheit der Reliquie angezweifelt und vermutet, dass die heilige Vorhaut mit Jesus zum Himmel emporgestiegen sei und sich in die Saturnringe verwandelt habe.«
    »Je beknackter die Info, desto einfacher kann man sie sich merken, was?«
    Das Känguru nickt.
    »Und dieser Informationsmüll verdrängt irgendwann sogar das Grundlagenwissen«, sage ich. »Oder kennst du zum Beispiel noch die Zehn Gebote?«
    »Na klar«, sagt das Känguru. »Wir Jungpioniere lieben unsere Deutsche Demokratische Republik. Wir Jungpioniere halten Freundschaft mit den Kindern der Sowjetunion.« Es beginnt an seinen Fingern mitzuzählen. »Wir Jungpioniere äh … tragen mit Stolz unser blaues Halstuch. Wir Jungpioniere achten unsere Eltern, lieben den Frieden, halten unseren Körper sauber … äh … puh … singen und tanzen, spielen und basteln gern. Wir Jungpioniere haben

Weitere Kostenlose Bücher