Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
Ihnen ganz ehrlich: Ob Links- oder Rechtsextremismus – da sehe ich keinen Unterschied.«
»Doch, doch«, ruft das Känguru laut dazwischen. »Es gibt einen Unterschied. Die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos anzünden ist schlimmer. Denn es hätte mein Auto sein können. Ausländer besitze ich keine.«
Nach einer kurzen Denkpause sagt der Industrielle: »Die Frau im weißen Abendkleid hat völlig recht! Auch meine Familie besitzt schon seit über zwei Generationen keine Ausländer mehr.«
»Man sollte sich gänzlich davon verabschieden, mit Ironie zu arbeiten«, sage ich kopfschüttelnd.
»Na«, sagt das Känguru. »Einen Versuch noch.«
»Ich möchte noch etwas dazu sagen«, sagt Dwigs.
Die Praktikantin hebt ein Schild in die Höhe, auf dem steht: »Frenetischer Jubel.«
Das Publikum jubelt frenetisch.
»Danke, danke«, sagt Dwigs.
Die Praktikantin senkt das Schild nicht. Das Publikum hört nicht auf zu jubeln.
»Aber lassen Sie mich doch zu Wort …«
Die Praktikantin hebt ein Schild in die Höhe, auf dem steht: »Kreischen wie verhaltensgestörte Teenager.«
Das Publikum kreischt wie verhaltensgestörte Teenager.
»Bitte!«, ruft Dwigs. »Ruhe! Jetzt …«
»Hallo?!«, ruft Julia Müller. »Regie! Aha äh muh …«
Die Praktikantin hebt ein Schild in die Höhe, auf dem steht: »Tiergeräusche machen und Kupfermünzen auf die Gäste werfen.«
Das Publikum macht Tiergeräusche, und einige werfen mit vollen Händen Kupfermünzen auf die Gäste. Dazu singen sie zu der Melodie von Jetzt fahr’n wir übern See : »Hier habt ihr unser Geld, unser Geld, hier habt ihr unser Geld!«
»Was ist denn das hier?«, schreit Dwigs aufgebracht.
Die Praktikantin hält ein Schild in die Kamera. Darauf steht: »Das ist ein Anti-Terror-Anschlag des Asozialen Netzwerkes.«
»Sie sind hier zu uns auf die Wache gebracht worden zur Feststellung Ihrer Personalien«, sagt der Polizist.
»Es ist mir immer das größte Vergnügen, der Staatsgewalt in all ihren Wünschen willfährig zu sein«, sagt das Känguru und streicht sich sein weißes Abendkleid zurecht.
»Juti«, sagt der Polizist. »Fangen wa mal beim Wichtigsten an. Nationalität?«
»Mein Vater war Insu, meine Mutter war Bordi«, sagt das Känguru.
»Wat?«
»Eingeborenenstämme der Terra australis incognita«, sage ich.
»Wilde oder wat?«, fragt der Polizist.
»Fuchsteufelswild«, sagt das Känguru.
»Na jut.«
Der Polizist schreibt auf: Insu-Bordi-Nation.
Das Känguru lächelt sanft.
»Weiter. Name?«, fragt der Polizist.
»Häff«, sagt das Känguru. »Ha – Ä – Doppel-Eff.«
»Vorname?«
»Christiane.«
»Wohnort.«
»Hardenbergplatz.«
»Beim Bahnhof Zoo?«, fragt der Beamte.
»Ja, genau«, sagt das Känguru.
»Christiane Häff vom Bahnhof Zoo?«, fragt der Beamte.
Er zerknüllt das Blatt vor sich und nimmt ein neues.
»Na jut. Ick hab ja och Humor. Aba begrenzt!«
Er wendet sich zu mir.
»Probieren wir’s ma mit Ihnen. Vorname?«
»Franz«, sage ich.
»Nachname?«
»Biberkopf.«
»Und lassen Se mir raten: Wohnort Berlin Alexanderplatz? Was wird dit hier? Een Quiz?«
»Ja«, sagt das Känguru. »Genau! Ein Quiz!«
»Bernd«, ruft der Beamte seinen Kollegen.
»Wasele, Bruno?«
»Komm mal. Hier sind zweeä, die machen een Quiz mit uns.«
Bernd kommt hinzu.
»Vorname?«, fragt Bruno.
»Friedrich Wilhelm«, sagt das Känguru.
»Von Hohenzollern, gell?«, fragt Bernd. »Die kommet übrigens urschprünglich aus dar Nähe von Hechingen. Des isch gar net weit von Schduddgard. Die henn irgendwannamole die Mark Brandenbrug übertraga bekomma.«
»1411, um genau zu sein«, sage ich.
Das Känguru verdreht die Augen.
»Des wared quasi die erschte schwäbische Inveschtora in Berlin«, sagt Bernd. »War richtig, gell? Friedrich Wilhelm von Hohenzollern?«
Das Känguru schüttelt den Kopf.
»Nee«, sagt Bruno. »Kategorie ist Literatur.«
»Ond wie isch dar Nachnahme?«, fragt Bernd.
»Voigt«, sagt das Känguru.
»Schon schwieriger«, sagt Bruno.
»Beruf?«, fragt Bernd.
»Schuhmacher«, sagt das Känguru. »Und … nun ja … Hauptmann.«
»Na, wenn det nicht der Hauptmann von Köpenick ist, wa?«, ruft Bruno.
»Soll ich das einloggen?«, fragt das Känguru.
Bruno nickt.
»Ihre Antwort ist richtig!«, ruft das Känguru.
Bruno und Bernd klatschen ab.
»Nommal!«, ruft Bernd.
Inzwischen haben sich auch die restlichen Wachhabenden um uns geschart.
»Wohnort?«, fragt Bruno.
»Kreuzberg«,
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