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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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nahm der Eunuch einen Arm voller Bücher vom linken Stapel. Beleidigtsein war seine Spezialität. »Warum beschäftigt sie einen Ägypter als Arabischlehrer?«, hatte Johanna ihn zu seinem Todfeind, dem schwarzen Obereunuchen, sagen hören. »Das Arabisch, das die sprechen, ist doch wirklich unmöglich. Jeder von uns hier spricht mit einem besseren Akzent als er. Hör dir das mal an!«
    »Und das nehmen wir für Iskender mit«, sagte Zehra und legte ein dickes, in helles Kalbsleder gebundenes Buch auf den Stapel.
    »Das ist die Bibel«, sagte Iskender nach einem Blick auf die geheimnisvollen verschnörkelten Buchstaben, von denen sogar Johanna inzwischen wusste, dass sie Äthiopisch waren.
    »Wunderbar, du wirst uns daraus vorlesen. Das ist genau das Richtige für den Hadsch.«
    Die ungarische Sklavin Gül, die Aglaia nicht leiden konnte, stellte mit Süßigkeiten beladene Tellerchen vor Zehra und den Mädchen Selma und Hatice ab.
    Zum Glück lag ihr dieses fettige, klebrige Blätterteiggebäck nicht, dachte Johanna. Die in kleine Stückchen geschnittene Halwa mit den Pistazien dafür umso mehr. Sie wusste nicht, wie sie künftig leben sollte, ohne täglich davon zu naschen. Schon in Venedig hatte sie dank Giuseppinas Kochkünsten kräftig zugelegt, nun war sie noch einmal dicker geworden. Was für ein Glück, dass man ihr neue Kleidung zur Verfügung gestellt hatte: weite Pumphosen und ein langes, fließendes Hemd, darüber ein vorne offener Kaftan – nie hatte sie es bequemer gehabt.
    Die Schwester des Sultans spuckte einen Dattelkern aus und schob Johanna den Süßigkeitenteller zu.
    Dass der Sultan auf den Balkon getreten war, merkte diese erst daran, dass alle anderen Anwesenden in ihren Tätigkeiten erstarrt waren und sich auf den Boden geworfen hatten. Sie selbst kniete mit dem Rücken zur Balkontür und hatte sein Kommen überhört, was an den dick gepolsterten Samthausschuhen liegen musste, die der Herrscher trug.
    »Selamün aleyküm!« , grüßte er in die Runde.
    »Aleyküm selam« , erwiderte seine Schwester.
    »Onkel!«, empfing die kleine Hatice den Sultan zärtlich und küsste den Saum seines mit bunten Tulpen bestickten Mantels.
    Mahmud war erst seit knapp zwei Jahren im Amt, nachdem die Janitscharen seinen Onkel Ahmed verjagt hatten. Wie seine Schwester war er ein wenig dicklich. Nur sein Gesicht war schmal, mit einer sehr langen, stark nach unten gebogenen Nase. Er hatte einen mächtigen Bart und einen riesigen, mit einer Dia mantbrosche verzierten Turban auf dem Kopf. In der Hand hielt er eine Gebetskette.
    »Wir müssen noch einmal über den Hadsch reden«, sagte er zu Zehra und forderte die Anwesenden mit einer nachlässigen Geste auf, sich wieder vom Boden zu erheben. Der Federbusch auf seinem Turban wippte hin und her.
    Mit einer Kopfbewegung gab Zehra Johanna zu verstehen, dass sie frischen Kaffee machen sollte. Bisher hatte sie Aglaia bei der Zubereitung des Kaffees für den Sultan bloß assistiert, nun musste sie selbst zeigen, was sie konnte, denn von der alten Armenierin war weit und breit nichts zu sehen. Wahrscheinlich hatte Aglaia die Gelegenheit genutzt, um Fatma zu besuchen, vermutete Johanna. Aglaia hatte eine große Zuneigung zu der großen Dogge Pluto gefasst. Fast täglich stattete sie ihrem neuen Liebling einen Besuch ab. Sie schien sowieso keine rechte Lust mehr auf ihre Aufgabe als Kaffeemeisterin des Sultans zu haben. »Ich bin zu alt«, hatte sie Johanna schon mehrfach gesagt. »Am liebsten würde ich mich zur Ruhe setzen. Und nur noch Kaffee trinken, statt ihn für andere zu brauen. Ich werde dich als meine Nachfolgerin beim Padischah vorschlagen, wenn du willst …«
    Vorsichtig gab Johanna eine Handvoll grüner Bohnen in die kleine Pfanne und röstete sie gleichmäßig über dem Kohlen becken.
    Zehra schob den Bücherstapel für die Reise zur Seite. Gül brachte ein Tablett mit Meissner »Hofdrachen«-Tässchen und einer passenden Zuckerdose. Leyla, eine Tscherkessin vom Kaukasus, legte noch mehr Kissen mit Troddeln bereit, auf denen der Sultan seinen schweren Körper niederließ.
    Er warf einen mürrischen Blick auf den Arabischlehrer, der offenbar bedeuten sollte, dass fremde Männer im Harem nichts zu suchen hätten. Johanna hatte mitbekommen, wie er sich mit seiner Schwester darüber gestritten hatte. »Wer wird deine Töchter noch heiraten?«, hatte er sie gefragt. »Da wird sich schon jemand finden«, hatte Zehra unbekümmert geantwortet. »Mir gefallen die Blicke

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