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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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nicht, die Hatice dem Juden zuwirft«, hatte der Sultan nachgelegt. »Ach, was du dir wieder einbildest!«, war die Antwort seiner Schwester gewesen, obwohl für alle erkennbar war, dass die zwölfjährige Hatice bis über beide Ohren in ihren Lehrer verliebt war.
    Johanna schwenkte die gerösteten Bohnen ein paarmal hin und her, um sie abkühlen zu lassen, und gab sie dann zum Mahlen in eine verzierte Mokkamühle. Sie war nervös, weil der mächtige Herrscher des Osmanischen Reiches ihr bei der Arbeit zusah. Das gemahlene Pulver füllte sie in ein kleines Stieltöpfchen. Dazu kamen Wasser, mehrere Löffel Zucker und jeweils eine Prise zerkleinerter Ingwer und Kardamom. Sie ließ das Ge bräu eine Weile auf dem Kohlenbecken vor sich hin köcheln und seinen köstlichen Duft auf dem Balkon verbreiten, bevor sie den Kaffee in eine goldene Schnabelkanne goss.
    Ihre Hand zitterte leicht, als sie die Schnabelkanne hoch über die Tasse des Herrschers hob, wie sie es von Aglaia gelernt hatte, und die schwarze Flüssigkeit hineinschießen ließ. Sie hielt einen Moment inne, um in sich hineinzuspüren: Schließlich wollte sie sich für den Rest ihres Lebens daran erinnern, wie sie sich bei ihrem Debüt als »Kaffeemeisterin des Sultans« gefühlt hatte. Sie rechnete damit, dass man sie mit diesem Titel von nun an ansprechen würde.
    »Was ist nun mit dem Hadsch?«, fragte Zehra, nachdem Johanna auch ihr eingeschenkt hatte.
    »Die Reise ist viel zu anstrengend für Emine Hanim.«
    Der Sultan schaufelte mehrere Löffel Zucker in seinen für Johannas Geschmack ohnehin schon viel zu süßen Kaffee, ohne gekostet zu haben – wie jemand, dem es nie süß genug sein konnte und der aus Erfahrung wusste, dass immer zu wenig Zucker hineingegeben wurde.
    »Das wird sie ja wohl selbst entscheiden können!«
    »Wenn deine Mutter mitkommt, dann nur per Schiff!«
    »Nicht schon wieder!«, stöhnte Zehra. »Jedes Jahr sind wir mit dem Schiff nach Alexandria gefahren. Ich habe das endgültig satt. Und wie soll ich außerdem auf dem Meer die Bücher einkaufen, die ich brauche?« Schnell schob sie noch hinterher: »Und was ist mit meinen Gebeten in der Omaijaden-Moschee und in der Al-Aqsa?«
    »Das machst du auf dem Rückweg. Du fährst mit Emine Hanim per Schiff nach Alexandria. Dann nehmt ihr den Landweg bis Al-Hurghada und schifft euch nach Jeddah ein. Das ist schon gefährlich genug. Die Piratenschiffe werden wie eine Eskorte um euch herumschwirren, wenn sie herausbekommen, wer sich auf dem Schiff befindet. Ich werde euch zehn Begleitschiffe mitgeben. Mehr stehen mir im Moment nicht zur Verfügung. Das wird sie hoffentlich abhalten. Du reist dann mit Emine Hanim bis Alexandria zurück. Dort kann sie sich mit den Mädchen einschiffen, und du nimmst den Landweg.« Klirrend rührte er seinen Kaffee um. »So wird es gemacht, sonst lege ich mein Veto gegen diese ganze Reise ein«, fügte er streng hinzu.
    Endlich führte er die Kaffeetasse zum Mund und kostete einen Schluck von dem dunklen Gebräu. Johanna beobachtete ihn gespannt.
    Der Sultan verzog das Gesicht. Er sah aus, als hätte er in eine unreife Zitrone gebissen. In einem hohen Bogen spuckte er die braune Flüssigkeit aus seinem Mund durch die Löcher im Balkongitter nach unten in die Tiefe. Die Tasse ließ er auf den Teppich fallen, wo der Kaffee sofort versickerte.
    »Zu Hilfe!«, schrie er röchelnd. »Man will mich vergiften!«
    Er hielt sich beide Hände an den Hals, als wollte ihn jemand erwürgen, und spuckte immer wieder aus.
    Wie von der Tarantel gestochen sprang Zehra Sultan von ihren Kissen auf. Krachend fiel der neben ihr aufgebaute Bücherstapel in sich zusammen.
    »Ruft die Garde und den Leibarzt!«, befahl sie barsch, ohne die eilig herbeigelaufenen Domestiken anzusehen. »Keiner von euch bewegt sich von hier weg!«
    Sie warf Johanna einen vernichtenden Blick zu. Erst dann beugte sie sich über ihren Bruder.
    »Spuck alles aus, Mahmud! Gleich kommt der Arzt. Halte durch!«
    Der ewig schlecht gelaunte Eunuch Iskender hielt auf einmal eine Pistole in der Hand und zielte damit abwechselnd auf Johanna und den Arabischlehrer, als unterstellte er ihm, mit der heimtückischen Kaffeemeisterin unter einer Decke zu stecken. Ohne die beiden Verdächtigen aus den Augen zu lassen, beugte auch er sich über den Herrscher.
    »Wie entsetzlich!«, murmelte er. »Ich kann es nicht fassen, dass so etwas bei uns passiert. Wie fühlt Ihr Euch, Majestät? Der Arzt kommt sofort. Das Gift

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