Die Kaffeemeisterin
neckischen Puffärmeln. Wenn sie an die verhärmte und völlig verängstigte Frau dachte, die sie vor einem Jahr zusammen mit Ännchen Münch aus der Truhe in ihrem eigenen Keller befreit hatte, mochte sie kaum glauben, dass es sich um ein und denselben Menschen handelte.
Tröstend legte Elisabeth den Arm um sie.
»Die werden schon noch kommen, Hanne! Du wirst sehen, wir müssen nur Geduld haben! Du hast ja gerade erst wieder aufgemacht.«
Johanna nickte tapfer. Was war nur los, wo blieben ihre Gäste? Hatte sie etwa nicht genug für die Coffeemühle geworben? Ludwig Haldersleben hatte ihr doch extra ein Flugblatt gedruckt, das Schosch und Anne auf der Straße verteilt und sie selbst beim Kartenmacher und beim Schuhmacher im Laden ausgelegt hatte.
»Ist vielleicht auch nicht so günstig, wenn wir hier herumstehen wie ein Empfangskomitee«, sagte Elisabeth. »Aber immerhin die da drüben …« – sie hob ihren Besen und zeigte auf die Stelle, an der gerade noch die Gewürzkrämerin gestanden hatte – »… haben wir vertrieben.« Sie lachte. »Also, ich gehe jetzt mal lieber in den Hof zurück und kehre noch ein bisschen.«
Wahrscheinlich hatte Elisabeth recht, dachte Johanna. Es war sicher falsch, sich ansehen zu lassen, wie dringend man auf Kundschaft wartete. Nachher machten die Leute alle absichtlich einen großen Bogen um ihr Haus, aus lauter Angst, ihr in die Arme zu laufen! So wie sie es bei dem besonders aufdringlichen Bettler immer machte, der sich genau vor dem Schwarzen Stern platziert hatte und sich auf jeden Vorübergehenden stürzte. Aber sie konnte sich einfach nicht von ihrem Wachposten auf den Stufen losreißen, so angespannt war sie.
»Meister Volckhardt!«, rief sie erfreut, als sie den Bendermeister herannahen sah, der in beiden Händen mehrere Eimer trug.
Einladend breitete sie die Arme aus, stellte ihre Tasse auf der obersten Stufe ab und hüpfte auf die Straße hinunter.
»Seien Sie gegrüßt, Bergerin!«, sagte der Bendermeister herzlich. »Meine Frau hat mir schon erzählt, dass alles gut ausgegangen ist. Ich muss schnell die Eimer in die Buchgasse bringen, dann komme ich sofort zurück. Bis später dann! Ich freue mich schon auf Ihren Kaffee!«
Sich die Enttäuschung nicht anmerken lassend, stieg Johanna die drei Treppenstufen wieder hinauf. Immerhin würde er später vorbeikommen, hatte er gesagt. Auch früher war die Coffeemühle nicht immer brechend voll gewesen, aber dass sie einmal vor ihrer eigenen Eingangstür stehen würde, um die Gäste in ihr Etablissement zu locken, das hätte sie sich selbst in ihren schlechtesten Zeiten nicht träumen lassen.
Kurz entschlossen eilte sie wieder die Treppe hinunter, um Anne an der Trommel abzulösen.
»Lass mich das machen! Geh du lieber zum Brunnen!«
Johanna vergewisserte sich, dass das Feuer richtig brannte, und befüllte die Rösttrommel mit den frischen grünen Bohnen von der Lieferung aus Venedig. In Florianos Nachricht hatte gestanden, es handele sich um einen Import aus dem abessinischen Hochland, den er mit einer Kaffeesorte aus Mokka gemischt habe. Er würde ihr raten, die Bohnen bei großer Hitze kurz und scharf zu rösten und dann in kaltem Wasser abzulöschen – mit dieser Methode habe er selbst die allerbesten Erfolge erzielt. Johanna schüttelte jetzt noch den Kopf darüber. Sie würde die Bohnen bei schwacher Hitze nur ganz langsam anrösten und sie, statt sie ins Wasser zu werfen, lieber auf einem großen Schüttbrett erkalten lassen, weil dies einfach die schonendere Methode war. Selbst wenn sich die feinen Silberhäutchen dann nicht so einfach ablösten wie im kalten Wasser und man sie teilweise in mühevoller Kleinarbeit entfernen musste. Aber das war die Coffeemühle ihrem Ruf schuldig, dachte sie, hier musste einfach jeder sein Bestes geben und durfte keine Mühe scheuen. Wie wichtig die allergrößte Sorgfalt bei der Kaffeezubereitung war, hatte ihr auch die alte Aglaia immer wieder eingeschärft.
Plötzlich wurde sie von hinten an den Schultern gepackt, und eine tiefe Männerstimme rief aufgekratzt:
»Endlich kriegt man hier in Frankfurt wieder einen anständigen Kaffee! Wurde ja auch langsam Zeit!«
Johanna wäre Justus von Zimmer, der sie mit einem breiten Grinsen anstrahlte, am liebsten um den Hals gefallen. So richtig geheuer war er ihr zwar noch immer nicht, aber er war eine treue Seele, das musste man ihm lassen. Ludwig Haldersleben hatte ihr erzählt, dass Justus während ihrer Abwesenheit im
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