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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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und der Coffeemühle zu tun? Ich möchte endlich im Einzelnen hören, wer diese Beschwerden eingereicht hat und worauf die Polizei ihre Anschuldigungen gründet. Und erklären Sie mir bitte auch, warum die Akte erst letzte Woche an mich weitergeleitet wurde, während sich die Vorfälle, von denen Sie reden, offenbar bereits im letzten Jahr abgespielt haben. Das ist ja alles schön und gut, was Sie da erzählen, aber wir müssen uns auch an die Prozessordnung halten.«
    Er zog die ledergebundene Akte heran, die vor ihm auf dem Tisch lag, und entnahm ihr einen Brief, den er in die Höhe hielt, damit alle im Saal ihn gut sehen konnten.
    »Das ist eine Beschwerde des Schatzungsamtes über die Steuerausfälle, die sie dort wegen der Schließung des Etablissements haben. Die liegt jetzt schon seit fast einem Jahr hier rum. Wir wussten ja gar nicht, um was es geht!« Er wedelte ungeduldig mit dem Papier in der Luft. »Ich lasse mir ungern von anderen Ämtern in die Parade pfuschen oder irgendwelche haltlosen Vorwürfe machen. Und jetzt plädieren Sie weiter, Eppelsheim, aber lassen Sie gefälligst diese Stimmungsmache! Beweisen Sie Ihre Vorwürfe gegen die Witwe Berger, und beeilen Sie sich vor allem etwas mehr, wir haben nicht ewig Zeit!«
    Der Criminalreferier, dem der Schweiß auf die Stirn getreten war, räusperte sich umständlich.
    »Nun, dass sich ein Jude im Kaffeehaus befand, sich dort als Italiener ausgab und aufspielte, wurde von verschiedenen Leuten gesehen. Zeuge der Anklage ist …« – er legte wieder eine lange Pause ein – »… der Sachsenhäuser Apfelweinwirt Martin Münch!«
    Der Beisitzer mit der hohen Stirn riss seine kleinen Augen auf, als hätte der Criminalreferier einen guten Witz gemacht, und brach in wieherndes Gelächter aus. Der Jüngere Bürgermeister warf ihm einen unwirschen Blick zu.
    »Lassen Sie sich nicht von dem Heiterkeitsausbruch meines verehrten Kollegen von der zweiten Bank ablenken, Eppelsheim!«, sagte er an den irritierten Ankläger gewandt. »Aber das ist heute bereits unser dritter Fall, in dem ein Wirt gegen einen anderen Wirt aussagt. Da fällt es schwer, das Ganze noch ernst zu nehmen … Aber nun wollen wir endlich Ihren Zeugen anhören! Er möge vortreten, auf die Bibel schwören und seine Aussage machen.«
    Martin Münch, Ännchens Mann – er war der Zeuge, der gegen sie aussagen und Gabriels wahre Identität enthüllen würde! Johanna fühlte sich, als hätte ihr jemand mit der Faust in den Magen geschlagen. Sie hatte zwar gewusst, dass der Sachsenhäuser dabei gewesen war, als Gottfried Hoffmann und Jockel Lauer den armen Marcello bedroht hatten, sodass er Knall auf Fall aus Frankfurt geflohen war. Aber der Überfall auf Marcello hatte stattgefunden, bevor sie gemeinsam Elisabeth aus ihrem Verlies befreit hatten. Sowohl Martin als auch Ännchen Münch hatten ehrlich besorgt um die Freundin gewirkt und zutiefst erschüttert von Gottfrieds Gewalttaten. Warum nur stellten sie sich dann jetzt wieder auf seine Seite? Dass Martin Münch nun gegen sie aussagte! Sie konnte es nicht fassen.
    »Kennen Sie diesen Münch?«, flüsterte der Advokat ihr zu.
    Der Mann in den Dreißigern mit den halblangen Schnitt lauchhaaren war ihr zunächst ein wenig schmierig vorgekommen, aber dann hatte sie Philipp Ingens Urteil vertraut, dem zufolge Gustav Gruber sich ausgezeichnet mit den Gesetzen auskannte und über eine brillante Rhetorik verfügte.
    Johanna nickte.
    »An der Sache ist natürlich nichts dran. So hatten wir das ja besprochen«, sagte Advokat Gruber beruhigend, als er merkte, wie aufgeregt sie war.
    Johanna biss die Zähne zusammen und richtete sich kerzengerade auf. Sie drückte die Fußsohlen fest in den Boden, in der Hoffnung, dass ihre Knie aufhörten zu zittern, und verkniff sich, die Arme angriffslustig vor der Brust zu verschränken. Ja, sie würde einfach alles abstreiten! Sie würde einfach so tun, als wäre all das, was man ihr vorwarf – ob der Criminalreferier, ob der Kükenflaumige oder Martin Münch –, erstunken und erlogen. Was blieb ihr anderes übrig? Bei dem Gedanken daran, einen Meineid zu schwören, wurde ihr zwar etwas mulmig zumute, aber sie hatte schließlich keine andere Wahl. Zum Glück würde ihr sicher niemand zutrauen, dass sie so abgebrüht die Unwahrheit sagen konnte. Ihr Gesicht wirkte noch genauso ehrlich wie in ihrer Kindheit, als ihr nach jener einen entlarvenden Erfahrung mit ihrer Tante das Lügen so schwergefallen war. Aber sie selbst,

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