Die Kaffeemeisterin
vornehmen Kaffeekollegium der Witwe Pick Hausverbot bekommen und gleich zwei Verlobungen hatte platzen lassen. »Man sagt, dass seine Familie nicht mehr ein noch aus weiß«, hatte der Kartenmacher unheilschwanger geraunt.
Ein scharfer Geruch kündete davon, dass die Kaffeebohnen dabei waren anzubrennen. Schnell drehte sie sich zur Rösttrommel um und fing hektisch an zu kurbeln. Da hatte sie noch einmal Glück gehabt – wäre schade um die gute Ware gewesen, wenn die Bohnen zu scharf angebraten worden wären. Der Kaffee wurde dann immer so bitter.
Zum Glück kam Anne in dem Augenblick mit einem Joch über der Schulter, an dem auf jeder Seite ein Eimer hing, vom Brunnen bei Hinter dem Lämmchen zurück und übernahm wieder ihren Posten an der Rösttrommel.
Johanna nahm die kleine Kaffeetasse mit den goldenen Ranken von der obersten Stufe, ließ sich von Anne das Joch über die Schultern legen und schleppte die beiden Eimer die kleine Treppe hinauf.
»Dann bekommen Sie jetzt einen Kaffee von der Kaffeemeisterin des Sultans persönlich zubereitet, lieber Justus«, sagte sie feierlich, während sie versuchte, sich gerade zu halten, damit das Wasser nicht überschwappte.
Justus stieß einen Pfiff aus, als er die Gaststube in ihrem neuen Glanz sah.
»Kompliment, Frau Wirtin!«, nickte er anerkennend. »Aber wo sind denn die anderen Gäste?«
»Sie sind heute der Erste.«
Justus brach in Gelächter aus.
»Dass ich mal irgendwo der Erste sein würde – wer hätte das gedacht! Ich bringe morgen gleich ein paar Kumpanen mit, damit es hier nicht so leer ist.«
Er deutete auf Ludwig Haldersleben, der sich mit dem Journal unter dem Arm an zwei schweren Zugpferden vorbeidrängte, um die Gasse zu überqueren.
»Aber da kommt ja auch schon der zweite Gast!«
»Guten Morgen, liebe Johanna, guten Morgen, Justus!«, rief der Kartenmacher ihnen entgegen. »Das wird aber ein heißer Tag heute!«
Johanna staunte noch immer, wie sehr sich Ludwig Haldersleben während ihrer Abwesenheit verjüngt hatte. Nichts war mehr von seiner alten Kauzigkeit geblieben.
Ihr Nachbar setzte sich neben Justus auf die Bank und ließ seinen Blick durch den Gastraum schweifen.
»Sehr schön, Johanna! Die Coffeemühle ist genauso hübsch wie früher. Wenn nicht sogar noch hübscher. Wie sehr habe ich das doch alles vermisst!«
»Die Farbe ist noch nicht ganz trocken, wenn Sie sich also bitte nicht anlehnen!«, warnte ihn Johanna, bevor sie sich zum Herd umdrehte.
Nachdem sie ihren beiden Gästen jeweils einen dampfenden Becher Kaffee gebracht hatte, setzte sich Johanna zu ihnen und begann aus den gerösteten Bohnen auf dem Schüttbrett die allzu verbrannten Exemplare auszusortieren.
»Hm, ganz ausgezeichnet!«, bemerkte Ludwig Haldersleben, der vorsichtig an dem heißen Getränk genippt hatte.
Auch Justus von Zimmer schnalzte anerkennend mit der Zunge.
»Schmeckt irgendwie anders als früher«, grinste er. »Mehr nach … nach … ja, mehr nach Süden! Oder Osten, wie man’s nimmt. Jedenfalls so, als hätten die Ihnen da unten eine ganze Menge beigebracht. Kompliment, meine Liebe! So einen guten Kaffee habe ich in ganz Frankfurt noch nicht getrunken.«
Der Kartenmacher nickte bestätigend und nahm einen weiteren kleinen Schluck.
»Sie sollten sich einfach darauf einstellen, dass es eine Weile dauern wird, bis die Gäste wieder kommen, Johanna«, bemerkte er behutsam. »Es muss sich erst mal rumsprechen, dass Sie wieder da sind. Und man darf natürlich auch nicht vergessen, dass die Leute jetzt woanders ihr Stammkaffeehaus haben, ein Jahr ist schließlich eine lange Zeit. Bis sie sich wieder zurück auf die Coffeemühle besinnen, das könnte ein Weilchen dauern. Und dann müssen sie ja auch erst mal vergessen, dass Sie gerade vor Gericht gestanden haben. Obwohl ja nichts an der Sache dran war. Aber trotzdem, so etwas bleibt eben an einem hängen. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, ob man nicht das Journal auf Sie ansetzt, Frau Johanna … Wenn die dort einen vernünftigen Artikel …«
»Aber so lange kann ich nicht durchhalten!«, unterbrach ihn Johanna. »Die Instandsetzung hat mich ein Vermögen gekostet. Sie wissen ja, wie es hier aussah …«
Ludwig Haldersleben nickte betrübt. Nicht so Justus von Zimmer, der regelrecht ins Schwärmen geriet.
»Was haben wir es diesen Sachsenhäuser Bauerntölpeln gegeben! So einen Spaß habe ich seitdem nicht mehr gehabt. Wissen Sie noch, Johanna?« Er legte ihr eine Hand auf den Arm.
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