Die Kaffeemeisterin
würde. Jetzt ist mein Bruderherz schon seit zwei Wochen mit dieser Übersetzung zugange und immer noch Feuer und Flamme für seine neue Tätigkeit. So lange hat er ja nicht mal sein Jurastudium durchgehalten oder sich für eine seiner Verlobten interessiert! Wirklich erstaunlich, dieser Anfall von Schaffenskraft und Beständigkeit! Fast eine Art Weltwunder.«
Sie warf ihrem am anderen Ende der Gaststube stehenden Bruder eine Kusshand zu und legte dann ihre spitzenumrüschte Hand auf Johannas Ärmel.
»Aber wem erzähle ich das!« Sie senkte vertraulich die Stimme. »Du weißt das ja alles längst, Johanna.«
Justus hatte sie darauf vorbereitet, dass seine Schwester jeden, der unter ihrem Stand war, zu duzen pflegte. Genau wie bei ihm haperte es auch bei Magda von Zimmer an den Manieren, die eher an die eines Bierkutschers erinnerten als an die eines Adelsfräuleins. Sie hatte zwar die Nonchalance ihres Bruders, aber irgendwie weniger Charme, fand Johanna.
Aus den Augenwinkeln konnte sie wahrnehmen, wie Philipp Ingen ihr hektische Zeichen machte und ihr etwas zuraunte, das sie jedoch nicht verstand. Auch Trudi, ein kleines Waisenkind auf dem Arm, das sie überallhin mitnahm wie ein hübsches Accessoire, hüpfte nervös von einem Bein aufs andere. Das Kind brach in begeistertes Krähen aus. Was hatten die beiden nur?, wunderte sich Johanna.
Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Philipp und Trudi wollten Magda vorgestellt werden – das war es, was sie ihr bedeuten wollten! Wenigstens hier konnte sie behilflich sein, wenn schon nichts aus der Bekanntschaft der Ingens mit dem Conte werden würde und es höchst ungewiss war, ob die Sultana jemals in Frankfurt auftauchen würde. Johanna hatte ihr einen Brief geschrieben, gleich nach ihrer Rückkehr, ihr von Güls Verrat berichtet und erzählt, dass sie ihre Töchter und ihre Gerechtigkeit wiederhatte. Und Ludwig Haldersleben hatte ein großes Paket mit allen möglichen Karten und Merian’schen Stadtansichten nach Konstantinopel losgeschickt. Doch Johanna hatte bisher weder von Zehra noch von Aglaia oder Marcello etwas gehört.
»Darf ich Sie mit meinen lieben Freunden Philipp und Trudi Ingen bekannt machen, Fräulein von Zimmer? Die beiden gehören hier in Frankfurt ja zu den größten Wohltätern. Sie haben vielleicht schon vom Ingen’schen Armenkasten gehört?«
Sie legte die Hand auf Magda von Zimmers Arm, der in einem nach der letzten Mode geschneiderten Damastsommerjäckchen steckte, und drehte sich zu den Ingens um.
»Philipp, Trudi, kommt doch einen Moment her!«
»Ach, bevor ich es vergesse – das ist für dich, Johanna! Kauf dir was Schönes, ja?«
Magda von Zimmer, die aus der am Gürtel ihrer Zofe befestigten Börse ein paar Geldstücke entnommen hatte, musterte sie von oben bis unten. Ihr Blick war keinesfalls abschätzig, sondern rein sachlich, als hätte sie eine Kuh auf dem Viehmarkt zu bewerten und sei der Meinung, diese könne noch etwas mehr Fleisch auf den Rippen vertragen.
Johanna war sich wohl bewusst, dass ihr Äußeres vor lauter Anstrengung und Aufregung in den letzten Wochen zu kurz gekommen war. Sie hatte einfach keine Zeit gehabt, sich um ihre Kleidung zu kümmern, ihre abgearbeiteten Hände mit den teilweise abgebrochenen Fingernägeln zu maniküren und ihre Haare mit einer Kamillenspülung zu pflegen. Letzteres sah man ja zum Glück nicht, aber ihre Nägel hätten unbedingt geschnitten werden müssen. Und dieser Riss in ihrem Kaftan, der war doch am Morgen noch nicht in dem Stoff gewesen … Beschämt sah Johanna an sich herunter. Zugleich ärgerte sie sich über Magda von Zimmers herablassende Art. Was bildete sich dieses höhere Töchterchen eigentlich ein? Verteilte ihre Almosen, als wäre sie, Johanna, eine Bettlerin und keine gestandene Kaffeehauswirtin! Doch dann beschloss sie, sich ihre gute Laune nicht verderben zu lassen, zumal sie ein Extratrinkgeld in der Tat gut gebrauchen konnte, so viel war von Zehras Geld in die Instandsetzung der Coffeemühle geflossen.
Sie nickte Magda von Zimmer kurz zu und überließ es Philipp und Trudi, sich ihr selbst vorzustellen.
Ein freudiger Schreck durchfuhr sie, als sie nach draußen kam. Kaum zu glauben, wie voll es war! Nicht nur das Zelt platzte aus allen Nähten, nein, der ganze Hof wimmelte nur so von Menschen. Überall standen die Gäste in kleineren Grüppchen mit ihren Kaffeetassen in der Hand herum und plauderten angeregt miteinander. Ein paar Leute, die weder im noch
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