Die Kaffeemeisterin
Justus!«
Johanna war dazu übergegangen, ihn und Ludwig Haldersleben zu duzen, schließlich gehörten ihre beiden treuesten Stammgäste mittlerweile fast schon zur Familie.
»Es ist noch nicht mal acht Uhr, und du brauchst deine Kraft für heute Abend«, ermahnte sie ihn.
»Ich kann mich nicht trennen von meiner Arbeit«, erwiderte der Neffe des Schultheißen gut gelaunt.
Er legte den Löffel zur Seite und hielt die Spitze seiner Feder dicht vor die Augen, um sie einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
»Bei euch ist es auch viel gemütlicher als bei mir zu Hause. War es schon immer. In meiner Familie ist man nicht gerade begeistert von meiner neuen Karriere als Possenreißer. Obwohl sich alle einig sind, dass das Übersetzen eine schöne Beschäftigung ist.«
Mit der Feder deutete er auf den Fez, der neben ihm auf der Bank lag.
»Schau mal, was ich mir von Haldersleben geliehen habe!«
Der ganze Hut war über und über mit Orden bedeckt. Johanna lachte. Nicht nur Elisabeth, nein, auch Justus schien den orientalischen Abend mit einer Faschingsfeier zu verwechseln.
»Ach, übrigens, Johanna, meine Schwester Magda hat sich für heute Abend angekündigt. Sie ist ein bisschen eigen, die Gute. Wundere dich also nicht!«
»Warum sollte ich mich wundern?«
Aber Justus hatte die Federspitze schon wieder in die schön gerührte Tinte getaucht und war in die Welt von Tausendundeine Nacht hinübergedriftet.
W enige Stunden später waren alle Plätze im Zelt reserviert. Johanna legte auf jedes Kissen ein handgeschriebenes Namensschild und ermahnte ihre Leute, sich nur ja vorsichtig durch das Zelt zu bewegen, damit die Schilder nicht wegflogen. Unter dem Vordach und im Hof hieß sie Schosch und die Mägde die Stühle aus sämtlichen Zimmern des Hauses sowie die mit Schnitzereien verzierten Hocker und vier von Zehras Truhen aufstellen. Wenn man Kissen auf die Deckel legte, konnte man tatsächlich ganz bequem darauf sitzen. Sogar eine der langen Bänke schleppten Schosch und – zu Johannas Erstaunen – Justus nach draußen. Der Neffe des Schultheißen rekelte sich nach dem langen Sitzen in alle Richtungen und machte ein paar Kniebeugen.
Ludwig Haldersleben und seine Schwester Cornelia kamen als Erste. Der Kartenmacher überreichte Johanna feierlich eine große Karte in einem dunklen Holzrahmen, und auch Cornelia guckte ganz ernst, als handelte es sich um einen großen, erhabenen Moment.
»Das erste Exemplar meiner Übersichtskarte von den Schauplätzen aus Tausendundeine Nacht , meine liebe Johanna! Ich dachte, wir hängen sie ins Zelt«, sagte der Kartenmacher stolz. »Ich schaue mal schnell, wie wir die Karte befestigen können. Drüben habe ich noch mehr Exemplare. Ich habe mir überlegt, dass es eine gute Gelegenheit ist, sie der Welt zu zeigen. Vielleicht möchte ja der ein oder andere noch ein Exemplar erwerben«, ergänzte er leicht verlegen.
Ännchen und Martin Münch betraten die Gaststube als Nächste.
»Oh, wie schön, dass ihr kommen konntet! Aber ich habe gar nicht für euch reservieren können – es wird wohl ziemlich voll werden.«
»Das macht doch nichts! Ein Stehplatz wird sich ja wohl noch finden lassen«, sagte Martin Münch, dessen Gesicht seit dem Vorfall mit dem Bären drei tiefe Narben zierten.
Seine Frau war, nachdem sie alle Anwesenden begrüßt hatte, gleich zu Elisabeth geeilt, die dabei war, die von einem italienischen Südfrüchtehändler bezogenen schwarzen Oliven in kleine Schälchen zu füllen, um sie zu den getrockneten Aprikosen, Pflaumen und Feigen auf ein Tablett zu stellen.
»Gibt es Neuigkeiten von der Sachsenhäuser Front?«, fragte Johanna den Apfelweinwirt leise.
»Ja, sieht ganz so aus«, raunte dieser zurück. »Den Bierbrauer habe ich schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen – Ingens Gespräch mit ihm scheint also erfolgreich verlaufen zu sein.«
Johanna fühlte sich noch immer mitverantwortlich für das schreckliche Schicksal, das Martin Münch ereilt hatte. Schließlich hatte Gottfried Hoffmann seinen Nachbarn in den Bärenkäfig gesperrt, weil er ihr, Johanna, geholfen hatte, indem er nicht zu dem Prozess gegen sie erschienen war. Sie nickte schnell, um das Gespenst zu vertreiben und Martins Worte zu bestätigen.
»Ja, Philipp hat ihm klipp und klar gesagt, dass Gottfried und Jockel Kriminelle sind und dass er sich und seiner Kampagne nur schaden würde, wenn er sich mit solch verbrecherischen Subjekten verbindet.«
»Nachts hören wir Gottfried
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