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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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überzeugt, dass seine Angebetete wunderschön war, einsam und unglücklich und gefangen in den Haremsgemächern. ›Sie ruft mich‹, sagte er zu seinen Freunden. ›Ich muss zu ihr. Ich muss sie befreien!‹ Seine Freunde lachten ihn aus, aber dann bemerkten sie, dass er sich nur immer mehr in seine Leidenschaft hineinsteigerte, und sie begannen sich zu sorgen. Doch Hüseyin hatte sich einen Plan zurechtgelegt: Er freundete sich mit dem Eunuchen an, der die Speisen für die Küche des Harems besorgte, und belieferte ihn von da an mit seinem Fang – natürlich in der steten Hoffnung herauszufinden, wer die schöne Unbekannte war. Dem Küchenmeister dämmerte schließlich, worauf der Jüngling mit seinen Fragen hinauswollte. Und weil er ihn mochte und ihm hoch anrechnete, dass er ihn noch nie betrogen hatte – so wie die anderen Fischer, die schon oft mit ihrem alten Fisch vom Vortag zu ihm gekommen waren –, warnte er ihn: ›Höre, Hüseyin, das wird kein gutes Ende nehmen. Denk an die Geschichte von Osman und Seniye!‹ Und sein Gesicht verdunkelte sich, und er sagte kein weiteres Wort …«
    Johanna senkte den Kopf, sodass der Schleier vor ihr Gesicht fiel. Auch sie würde heute kein weiteres Wort mehr erzählen, wollte sie damit ihrem Publikum bedeuten.
    Den Gästen schien es ebenfalls die Sprache verschlagen zu haben. Erst als Johanna leicht irritiert ob der Stille, die plötzlich in dem stickigen Zelt herrschte, wieder aufsah, brach wie auf Kommando tosender Applaus aus.
    »Bravo, eine wunderbare Geschichte!«, rief Ursula Volckhardt, die Bendersgattin, und erhob sich heftig klatschend von ihrem Sitz.
    Johannas Blick fiel auf die Gewürzkrämerin, die sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Sogar Magda von Zimmer sah ergriffen aus, während Margarethe und einige weitere Damen verklärt vor sich hin lächelten, als wähnten sie sich selbst in der Rolle der Haremsdame Mihrimâh.
    »Hab ich’s nicht gesagt!« Gregor Denzel schlug ihr mit seiner großen Schusterhand auf den Rücken, während der Applaus allmählich abflaute. »Sie schaffen das – habe ich doch schon vor einem Jahr gesagt! Und weit und breit keine Spur von diesem Ungeheuer aus Sachsenhausen. ›Die lässt sich doch von so einem nicht kleinkriegen, die Bergerin!‹, das habe ich allen erzählt, die nach Ihnen gefragt haben. Und so ist es gekommen. Ich bin stolz auf Sie, Frau Johanna! Der Herr hat sich auf Ihre Seite geschlagen.«
    Johanna verspürte plötzlich große Lust, jemanden zu umarmen, und drängte sich durch die ihr gratulierenden Zuschauer zu Margarethe und Lili hindurch.
    »Du warst wunderbar, Mutter!«, sagte Margarethe. »Und die Coffeemühle ist wieder in aller Munde. Morgen wird es bestimmt noch voller werden. Wir haben so viele Reservierungen entgegengenommen, dass wir von Halderslebens und Denzels Stühle rüberholen müssen.«
    »Bis morgen dann in alter Frische!«, verabschiedete sich Justus von Zimmer grinsend von Johanna.
    Natürlich hatte sie ihm eine Bezahlung angeboten, aber er hatte darüber nur gelacht. Er hatte seinen Fez aufbehalten und bugsierte seine eifrig Trinkgelder verteilende Schwester zum Ausgang. Hinter ihnen lief die Zofe, die mit resignierter Miene eine gerahmte Karte des Morgenlandes schleppte.
    Johanna sah, wie Ludwig Haldersleben noch einmal den Hut vor Magda von Zimmer zog und sich dann die Hände rieb, als hätte auch er an diesem Abend gute Geschäfte gemacht. Sie selbst würde ihre Gäste gleich allein lassen und in ihrem stillen Kämmerlein erst einmal das Geld durchzählen, das sie eingenommen hatte, und prüfen, was auf dem Kerbholz notiert war.

34. KAPITEL
    D er Garten sah aus, als wäre ein Orkan über ihn hinweggefegt. Alle Pflanzen waren ausgerissen, die Bäume gefällt und die Tische und Stühle in ihre Einzelteile zerlegt. In dem Balken über der Hoftür steckte eine Axt, als hätte jemand nur kurz eine Verschnaufpause während seines Wutanfalls einlegen wollen und käme gleich zurück, um das Haus zu zertrümmern.
    »Na, dein Mann hat halt noch ein paar mehr Feinde, nicht nur uns. Da ist uns wohl jemand zuvorgekommen«, erholte sich Justus von Zimmer als Erster von dem Anblick der Verwüstung.
    »Ich wette, das war er selbst«, murmelte Elisabeth gedankenverloren.
    Justus tippte sich mit dem rechten Zeigefinger an die Stirn und meinte laut:
    »Wer so was mit seinem eigenen Haus macht, der muss ja komplett von Sinnen sein!«
    Elisabeth reagierte nicht, sondern starrte wie

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