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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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irgendwohin, an einen Ort, wo man sich unserem Glück nicht entgegenstellt!«
    Johanna wollte ihm antworten, ihm sagen, dass es diesen Ort nicht gab, dass man sie überall auf der ganzen Welt verstoßen würde. Doch sie hatte kaum den Mund geöffnet, als Gabriel ihn sogleich mit seinen Lippen wieder verschloss.
    »Sag jetzt nichts. Überleg es dir!«, murmelte er noch.
    Und dann versanken sie in einen Kuss, aus dessen leidenschaftlicher Innigkeit sich Johanna erst wieder lösen konnte, als sie Jehudas schlurfende Schritte den langen Gang herannahen hörte.
    »Dann sehen wir uns morgen, Frau Berger!«, sagte Gabriel mit belegter Stimme und trat einen Schritt zurück.
    Er bückte sich nach seinem Geigenkasten und verschwand auf demselben Weg, den er gekommen war.
    Mit fliegenden Fingern richtete Johanna ihre verrutschte Haube und ihr Brusttuch. Schon tauchte der Krämer im Lichtschein der Funzel auf, die seinen Verkaufsraum mehr schlecht als recht beleuchtete. In beiden Händen hielt er je einen bis zum Rand mit Kaffeebohnen gefüllten Eimer.
    »Es ist nicht gut, die so lose zu transportieren«, bemerkte Jehuda mehr zu sich selbst als zu ihr. »Wir müssen sehen, dass wir sie irgendwie verpacken, damit das Aroma nicht flöten geht.« Er blickte auf und lächelte breit. »Nachher war das sonst heute das letzte Mal, dass Sie meinen Laden aufgesucht haben, Frau Johanna … Und das wollen wir doch nicht hoffen, oder? Wo wir uns jetzt endlich wiedergefunden haben!«

37. KAPITEL
    M it schweren Schritten ging Gabriel die wenigen Stufen hinunter zum Sprechzimmer seines Vaters. Er fühlte sich, als hätte man ihm Ziegelsteine um die Knöchel gebunden. Die Mutter hatte ihm mitgeteilt, dass der Vater mit ihm reden wolle, als er vom Unterricht bei den Bär-Töchtern zurückgekehrt war. Schon diesen hatte er als eine Zumutung empfunden – noch mehr als sonst. Während Babette Bär ihre holprigen Tonfolgen herunterleierte, hatte er sich in Gedanken zu Johanna geflüchtet. Johanna, die er vor vierundzwanzig Stunden erst im Arm gehalten und geküsst hatte. Johanna, die sich so wunderbar warm und weich angefühlt hatte. Die ihm mit jeder Faser ihres Körpers zu verstehen gegeben hatte, dass sie ihn genauso begehrte wie er sie. Dass sie ihn liebte und die lange Zeit, die seit ihrer letzten Begegnung vergangen war, nichts, aber auch gar nichts an ihren Empfindungen für ihn geändert hatte. Johanna, wie sehr er sich nach ihr sehnte! Er musste sie sehen, so schnell wie möglich.
    Ihm schwante nichts Gutes, als er gegen die schwere Eichentür klopfte, hinter der Elias Stern seine Patienten empfing. Er kam sich vor, als wäre er fünf Jahre alt und hätte gerade irgendeinen Unfug angestellt. Wann immer der Vater ihn in den letzten Jahren zum Gespräch in sein Sprechzimmer zitiert hatte, war es um grundsätzliche Dinge gegangen, um seine nachlassenden Leistungen in der Schule, seine exotischen Studienpläne oder um unrühmliches Betragen im Allgemeinen. Er ahnte dumpf, dass es auch diesmal um seine Zukunft gehen würde, genauer gesagt um seine Zukunft als Ehemann von Rachel. Der aufgeregte Gesichtsausdruck seiner Mutter hatte Bände gesprochen. Es sah nicht so aus, als wäre die ganze Geschichte durch seine Flucht von der Verlobungszeremonie so einfach beendet …
    »Herein!«
    Die Stimme des Vaters klang erschöpft. Gabriel wusste, er arbeitete einfach zu viel. Er sah aus, als hätte er sich seit Tagen nicht rasiert. Auch die grauen Haare, auf denen ein schwarzes Käppchen saß, wirkten verstrubbelt. Er hätte einen Assistenten gebraucht, jemanden, der ihm zuarbeitete und die leichteren Krankenfälle übernahm. Einen Sohn, der in seine Fußstapfen treten wollte, dachte Gabriel mit einem Anflug von Bitterkeit.
    »Du wolltest mich sprechen, Vater?«
    Vor Elias Stern auf dem großen Schreibtisch lagen drei aufgeschlagene Folianten. Angelegentlich betrachtete Gabriel die Seiten mit den anatomischen Zeichnungen.
    Der Vater hatte seinen Blick bemerkt. Er seufzte schwer.
    Dann nahm er seine Brille ab und fuhr sich mit der Hand über die müden Augen.
    »Du fragst dich sicher, warum ich dich in mein Sprechzimmer habe kommen lassen«, kam er umständlich auf den Zweck ihres Zusammentreffens zu sprechen.
    Er schlug die drei dicken Anatomiebücher eines nach dem anderen zu, wuchtete sie aufeinander und schob sie an die äußere Kante des Schreibtischs, sodass seine Gestalt hinter dem Stapel halb verborgen war.
    Er verschanzt sich hinter seinem

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