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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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machen.«
    A uch Gabriel hatte sich jetzt erhoben. Der Vater wich zurück, als er sich mit beiden Händen auf der Tischplatte abstützte und den Oberkörper weit über den Schreibtisch beugte.
    »Ich kann Rachel nicht heiraten, Vater! Es geht nicht. Ich habe mich bemüht, es euch allen recht zu machen, aber es geht einfach nicht! Ihr müsst euch ein für alle Male damit abfinden, dass es mein Leben ist, um das es hier geht. Meins – nicht eu res!«
    Die letzten Worte hatte er nur noch herausgestoßen. Er zitterte am ganzen Leib vor unterdrückter Wut. Seine Lippen waren trocken, er hatte Durst.
    Der Vater hatte sich wieder hingesetzt. Im Gegensatz zu ihm selbst wirkte er mit einem Mal ganz ruhig. Er sah gar nicht mehr erschöpft und überarbeitet aus, sondern wie ein gestandener Mann im besten Alter und Vollbesitz seiner Kräfte. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und sich in seinem Schreibtischstuhl weit zurückgelehnt, während er, Gabriel, noch immer über den Tisch gebeugt vor ihm stand.
    Elias Stern schien das seltsame Kräftemessen damit beenden zu wollen, dass er den obersten Folianten von dem Stapel auf seinem Schreibtisch nahm und angeregt in ihm zu blättern begann.
    »Es ist, glaube ich, alles gesagt, mein Junge«, bemühte sich der Arzt um einen versöhnlichen Ton. »Die Hochzeit muss stattfinden. Du bist vertraglich an Rachel gebunden. So sehen es die Lazarus’ und so sehen es deine Mutter und ich. Du wirst uns einmal dankbar dafür sein, so wenig wie du selbst dich um deine Zukunft kümmerst. Wir schauen uns das jetzt seit Jahren an – und wo hat das alles hingeführt? Du gibst den Bär-Töchtern Unterricht. Irgendwann werden diese Mädchen heiraten und sich um ihre Familien kümmern, und was machst du dann?«
    Gabriel starrte den Vater an. Sein Gefühl der Ohnmacht war so erdrückend, dass ihm die Worte fehlten. Einmal mehr, als er nicht den Eindruck hatte, der Vater wäre auch nur ansatzweise bereit, mit ihm zu diskutieren. Im Gegenteil, seine hochkonzentrierte Mimik, das Buch in seinem Schoß, in dem er immer wieder blätterte, die flinken Augen, die die Seiten überflogen oder im Zimmer umherwanderten, zeigten ihm, dass Elias Stern mit seinen Gedanken längst woanders war. Allenfalls überlegte er noch, wie er ihn am besten loswerden konnte, ohne unhöflich zu erscheinen, dachte Gabriel wütend. Wie man einen lästigen Patienten abschüttelte, der nach Verkündigung der tödlichen Diagnose einfach nicht nach Hause gehen wollte.
    »Kuckuck, Kuckuck!«, rief es von draußen auf dem Flur.
    »Nun, Gabriel, ich denke doch, wir haben uns verstanden?«
    Ja, er hatte verstanden! Er, Gabriel Stern, hatte verstanden, dass sein Vater, Elias Stern, ihm keine andere Wahl ließ, als sein Elternhaus jetzt sofort für immer zu verlassen. Er musste doch inzwischen wissen, dass so nicht mit ihm umzuspringen war, hatte er doch schon einmal gezeigt, wie sehr ihm daran lag, eigene Wege zu gehen, als er sein Medizinstudium abgebrochen und sich ganz der Musik gewidmet hatte.
    Er nickte und griff tief in seine Hosentasche. Als er die Taschenuhr, die der Vater ihm zur Verlobung geschenkt hatte, wortlos neben den Bücherstapel auf den Schreibtisch legte, wurde der Ältere blass.
    »Auf Wiedersehen, Vater!«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte Gabriel sich um und verließ den Raum. Sein Vater versuchte nicht, ihn zurückzuhalten. Und auch Esther Stern begriff beim Anblick ihres Sohnes, als dieser wenige Minuten später in ihrer Küche erschien, um sich zu verabschieden, sein Bündel in der einen, den Geigenkasten in der anderen Hand, auf Anhieb, was vorgefallen war. Mit Tränen in den Augen kam sie auf ihn zu und wollte ihn gar nicht mehr loslassen.
    »Sag Rachel, dass es nicht an ihr liegt! Aber ich kann sie einfach nicht heiraten, Mutter. Sie ist ein hübsches, kluges Mädchen, sie wird leicht einen anderen Mann finden. Einen besseren als mich – jemanden, dessen Herz nur für sie schlägt. Der mit ihr am Rhein entlangreitet und für sie singt.«
    »Jeder ist seines Glückes Schmied, mein Junge … Versprich mir, dass du uns schreibst, sobald du dort angekommen bist, wo du hingehen musst.«
    Sie küsste ihn auf beide Wangen. Er spürte, wie sein Gesicht von ihren Tränen nass wurde.
    Kaum hatte er die Tür hinter sich zugezogen, fühlte Gabriel sich wie befreit. Schlagartig war jede Unruhe, jeder Zorn von ihm gewichen. Er hatte einen entscheidenden Schritt getan, es würde kein Zurück mehr für ihn geben, das

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