Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
…«
    Der Krämer hielt sie auf Armeslänge von sich entfernt und betrachtete sie gründlich.
    »Gut sehen Sie aus, Mädchen!«, ging er gar nicht auf ihre Entschuldigung ein. »Die Italiener waren wohl nett zu Ihnen, was? Und unter die Geschichtenerzähler sind Sie auch gegangen, habe ich gehört.«
    Er lächelte und ließ sich von Johanna eine Kurzfassung ihrer Erlebnisse während des letzten Jahres geben. Als die Rede auf Gottfried Hoffmann kam, winkte er verächtlich ab.
    »Ich habe gehört, was er Ihnen angetan hat. Unglaublich, dass dieser Mann so lange sein Unwesen treiben konnte! Und jetzt macht er Ihnen auch noch als Wasserleiche Scherereien …« Mit plötzlich matt gewordener Stimme sprach er weiter: »Wissen Sie, Johanna, ich bin alt und müde geworden in diesem einen Jahr, als Sie weg waren. Auch in meinem Leben ist einiges passiert, aber nicht eben Erfreuliches.«
    Er schaute sie aus seinen dunklen Mandelaugen bedrückt an.
    »Meine Mirjam ist gestorben«, sagte er dumpf. »Sie war schon lange krank, eine Geschwulst hat sie von innen aufgefressen. Es war klar, dass sie sterben würde, ich hatte genug Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen. Aber als sie dann tatsächlich gegangen ist …«
    Er machte eine hilflose Geste, die wohl auch den herunter gekommenen Zustand seines Geschäfts erklären sollte.
    »Oh, Jehuda, wie entsetzlich!«, rief Johanna bestürzt. »Ich habe sie ja leider nie gesehen, Ihre Mirjam, aber Sie haben immer so schön von ihr erzählt.«
    Der Krämer nickte traurig.
    »Ja, sie war schon eine ganz besonders Gute. Beinah dreißig Jahre haben wir zusammen verbracht, Johanna. Stellen Sie sich das mal vor! Jetzt habe ich nur noch Deborah, Manasse und Baruch. Und Manasse und Baruch sind in Saloniki.«
    Er zuckte mit den Schultern und schien für einen Moment in eine andere Welt abzutauchen.
    Wie klein und alt er aussah! Regelrecht gebrochen. Johanna wagte es nicht, Jehuda in seinen Erinnerungen zu stören. Sicher dachte er an die glücklichen Tage, die er mit seiner geliebten Frau verbracht hatte. Auch sie, Johanna, hatte ihren Mann verloren, aber sie hatte nicht ihr ganzes Leben mit ihm geteilt, sondern nur wenige Jahre. Außerdem war sie noch jung; im Gegensatz zu Jehuda hatte sie die Möglichkeit, vielleicht noch einmal neu anzufangen, mit einem anderen Gefährten, einer neuen Liebe …
    Plötzlich konnte sie sich nicht mehr zurückhalten, sie musste Jehuda einfach fragen, was aus Gabriel geworden war.
    »Ach, was ich Sie noch fragen wollte: Was ist eigentlich aus dem jungen Geiger aus Ihrem Haus geworden? Wohnt er noch hier?«, fragte sie betont nebensächlich und beugte sich über ein Stück blau-grün gemusterten Damaststoff, um seine Qualität zwischen den Fingern zu befühlen.
    Jehuda warf ihr über seine kleine runde Brille einen unergründlichen Blick zu.
    »Ja, er wohnt noch hier«, erwiderte er gedehnt. »Er gibt immer noch Geigenunterricht, versucht immer noch, sein Jahrhundertwerk fertigzustellen …«
    »Stimmt, er wollte ja eine Oper komponieren! Wie hieß sie noch gleich?«, fragte Johanna, als wüsste sie nicht ganz genau, wie Gabriel seine erste große Komposition nennen wollte.
    Die Söhne Abrahams , wohl nie mehr in ihrem Leben würde sie diesen Titel vergessen! Die Oper würde ein Meisterwerk werden, das hatte sie damals schon gedacht, als Gabriel ihr mit leuchtenden Augen die Handlung skizziert und einzelne Tonfolgen auf dem Cembalo im Damensalon angespielt hatte.
    » Die Söhne Abrahams «, sagte Jehuda prompt. »Aber ich nehme doch nicht an, dass Sie sich nur um den Titel des unveröffentlichten Meisterwerks meines Nachbarn zu erfahren, in die Niederungen der Judengasse begeben haben … Was führt Sie zu mir, meine liebe Johanna, sicher gibt es doch einen Grund, weshalb Sie sich nach all den Monaten wieder hierherverirrt haben?«
    Jehuda zwinkerte ihr zu, wie um ihr zu bedeuten, dass er nicht wirklich gekränkt über ihre Untreue war. Außerdem schien er zu wittern, dass er ein Geschäft mit ihr machen könnte, sagte sich Johanna, um ihr schlechtes Gewissen endgültig zu unterdrücken.
    »Kaffee, mein lieber Jehuda, Kaffee!«, antwortete sie lachend.
    »Da haben Sie aber Glück, meine Schöne! Wie Sie sehen, habe ich mein Geschäft in den letzten Wochen ein wenig vernachlässigt« – wieder flog ein Schatten über sein Gesicht –, »aber ich habe noch zwei Fässer allerfeinsten arabischen Mokkas im Keller. Als hätte ich geahnt, dass Sie kommen würden«,

Weitere Kostenlose Bücher