Die Kaffeemeisterin
sehen, aber wir sie nicht. Und überall standen diese Eunuchen herum und haben sie bewacht. Terribile! Aber ich sage Ihnen: Am Ende ist es egal, ob man sie sieht oder nicht. Allein der Geruch ihrer Parfüms, der im Raum umherschwebt, das Geraschel ihrer seidenen Kleider und ihr Gekicher! Diese klimpernden Armbänder und Ohrringe! Das kann jeden Mann aus der Fassung bringen, glauben Sie mir! Es ist besser, dass sie hinter einem Schleier sitzen, so durchsichtig der auch sein mag. Vero , Pluto? Dich mussten wir auch immer wieder davon abhalten, hinter den Vorhang zu laufen, so sehr wolltest du von den gut riechenden Damen gestreichelt werden. Konntest dich gar nicht konzentrieren an dem Tag …«
Er lachte heiser und stupste den großen Hund leicht mit dem Fuß an.
»Und ich sage Ihnen noch etwas, Signora «, fuhr er fort. »Dieser Kaffee dort, der macht süchtig! Jeder, der ihn einmal getrunken hat, will ihn wieder trinken.« Er schenkte ihr ein zerknittertes Lächeln. »Aber auch Ihrer ist ziemlich gut. Davvero, non scherzo! «
Er schob sich eine Gabel voll Rührei in den Mund und redete kauend weiter. Seit sie erwähnt hatte, dass Floriano Francesconi ein Freund ihres Mannes gewesen sei, war er regelrecht aufgetaut, ja fast ein bisschen geschwätzig geworden.
»Eine der Schülerinnen der alten Aglaia hat ein Kaffeehaus aufgemacht, Zur Goldenen Kaffeetasse nennt es sich. E lei si chiama Fatma . Fatma ist fast so gut wie Aglaia selbst.« Ein seltsamer Glanz war in seine Augen getreten, als schwelgte er für einen Moment in Erinnerungen. Doch sofort hatte er sich wieder gefasst. »Ich habe bei all meinen Reisen um die ganze Welt kein Kaffeehaus gesehen, das von morgens bis abends so voll ist wie die Goldene Kaffeetasse – sì, sì, giuro, eh? Man kann sich geehrt fühlen, wenn man überhaupt reinkommt, ein solcher Andrang herrscht dort. Selbst zu den Gebetszeiten ist es rappelvoll. Manche kommen sogar ausschließlich während der Gebetszeiten, weil man dann etwas schneller bedient wird.«
»Aber was ist denn an dem Kaffee der alten Aglaia so besonders?«, fragte Johanna wissbegierig. Die Kaffeemeisterin des Sultans … Zur Goldenen Kaffeetasse … Das klang ja immer verführerischer! Nun war ihre Neugier wahrlich geweckt.
»Das ist ein Geheimnis, das äußerst streng bewahrt wird, si capisce . Aber wenn Sie diesen Kaffee erst einmal probiert haben, wollen Sie nie mehr etwas anderes trinken!«
Johanna verspürte einen leichten Stich, als hätte der Italiener sie kritisiert. Ob er das wohl auch von ihrem Kaffee sagen würde, wenn er wieder in seiner Heimat war und von seinen Reiseerlebnissen berichtete? Wahrscheinlich nicht, musste sie sich eingestehen, auch wenn sie wusste, dass ihr Kaffee gut war. Er war gut, aber eben nicht hervorragend. Niemand kam von weit her angereist, um ihren Kaffee zu probieren. Ihre Gäste fühlten sich in der Coffeemühle wohl, sie genossen die freundliche Stimmung dort, sie liebten die feinen Kuchen und Pralinés – aber nach ihrem Kaffee waren sie nicht wirklich verrückt. Da konnte sie sich noch so viel Mühe bei der Auswahl der Bohnen, beim Rösten, Mahlen, Zubereiten geben. Irgendetwas fehlte, um ihrem Kaffee das gewisse Etwas zu geben, aber leider hatte sie nicht den blassesten Schimmer, um was es sich dabei handeln konnte.
»Und was genau zaubern Sie, Signore ?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
»Schauen Sie …«
Ehe sie sichs versah, hielt der Italiener ihr eine schwarze Kugel vor die Nase. Er schob seinen Teller zur Seite und legte die Kugel vor sich auf den Tisch. Dann stülpte er seinen leeren Kaffeebecher darüber und schob diesen ein paarmal auf der Tischplatte hin und her, um ihn schließlich ruckartig wegzuziehen. Von der Kugel war nichts mehr zu sehen.
»Wie haben Sie das denn gemacht?«, fragte einer der Wechselmakler, der dem Treiben des Zauberers fasziniert zugeschaut hatte.
»Tja, das nennt man Kunst, cari signori … . Aber warten Sie erst mal ab, bis ich Pluto enthaupte oder mich selbst entfessele! Oder wie ich einen Handschuh in eine Zitrone verwandle!«
»Das ist ja großartig! Fantastisch!«
Johanna klatschte in die Hände.
Einige Neugierige waren an ihren Tisch gekommen, und auch der blonde Hüne war vorgetreten. Doch der Italiener machte mit seinen Händen eine knappe Geste, die bedeutete, dass die Vorführung zu Ende war.
»Würden Sie auch bei mir auftreten?«, fragte Johanna den Zauberkünstler, als sich die Menge der Schaulustigen
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