Die Kaffeemeisterin
die Messestadt Frankfurt an. Die vielen ausländischen Händler auf der Messe bestanden ganz einfach darauf, mit ihrem Lieblingsgetränk versorgt zu werden. So wie ihre Gäste auch. Und zum Glück waren es nicht mehr nur die Ausländer, sondern vor allem die Einheimischen, die es nach dem »Türkentrank« gelüstete.
Johanna lächelte zufrieden. Sie empfand ihren Beruf, den sie ja nun wahrlich nicht freiwillig ergriffen hatte, sondern in den sie über ihre Ehe hineingeschlittert war, allmählich als einen der schönsten der Welt. Als Kaffeehauswirtin fühlte sie sich tief verbunden mit den bärtigen Plantagenbesitzern in Mokka am Roten Meer und den Fischweibern in den Hafenspelunken von Marseille. Mit den Börsenhändlern in Amsterdam und den Kaufleuten der Ostindischen Compagnie in London. Mit Sultanen, Dogen und den Adeligen am französischen Hof. Die kleinen Bohnen brachten ihr die weite Welt ins Haus. Und alle, die mit Kaffee zu tun hatten, waren ihre Familie – zumindest dann, wenn das Geschäft gut lief und sie das Gefühl hatte, sie alle, egal ob Gesinde oder Gäste, Lieferanten oder Konkurrenten, würden an einem Strang ziehen und dem Zauber dieses wunderbaren Getränks huldigen. Aber wenn sie ehrlich war, kamen diese Momente nicht mehr allzu oft vor. Wann hatte sie zuletzt erlebt, dass sich ein Gast lobend über ihre Zubereitungskunst geäußert hatte, so wie das noch zu Adams Lebzeiten immer wieder geschehen war? Die Leute waren einfach zu verwöhnt, um noch wirklich anerkennen zu können, was man ihnen da anbot. Ihre Geschmacksnerven schienen sich längst an die Ausschussware gewöhnt zu haben, die von den illegalen Hockinnen auf der Straße feilgeboten wurde.
»Mutter, Anne erlaubt mir nicht, etwas Kaffee in meine Milch zu schütten!«, kam die zehnjährige Lili quengelnd auf sie zugelaufen.
»Guten Morgen, mein Schatz! Sag Anne, dass sie dir ruhig einen winzigen Schluck hineintun kann. Aber nur einen ganz kleinen!«
Johanna umarmte ihre Tochter.
Sybilla und die Wäscherin mit dem verhärmten Gesicht schleppten einen großen Topf in den Hof, wo die zweite Wäscherin inzwischen eingetroffen war. Aus der Gaststube erklang das Hüsteln eines zur Frühjahrsmesse angereisten älteren Augenarztes aus Nürnberg. Johanna erhob sich seufzend von ihrem neuen Sofa. Der Mann schien auf sein Frühstück zu warten. Der Tag begann.
»Guten Morgen, Doktor Erlanger«, begrüßte sie den Augenarzt, während Anne knicksend einen dampfenden Becher vor ihm abstellte.
»Das ging aber schnell!«, staunte der Mann.
»Ja, der Kaffee hat schon auf Sie gewartet. Ich habe ihn gerade frisch zubereitet.«
Johanna registrierte aus den Augenwinkeln, dass die Brüsseler Spitzenhändlerin den Raum betrat. Eine weizenblonde Flämin, die sonst morgens immer die Erste war. Sie war sehr sorgfältig geschminkt, aber ihre Kleidung erinnerte an einen zeltartigen Sack, als wäre sie mitten im Zurechtmachen unterbrochen worden und müsste nun im Hausgewand auf die Straße gehen. Johanna hatte schon mit ihr abgemacht, dass sie die Spitzen, die übrig blieben, in Kommission nehmen würde. Jehuda würde auch dafür Abnehmer finden, so viel war sicher.
Wenig später polterten ebenfalls die Lübecker Kaufleute, die Einkäufe für das dänische Königshaus tätigten, und eine Gruppe oberhessischer Tuchhändler die Treppe hinunter.
Johanna wurde nervös. Hannes war noch immer nicht zum Dienst erschienen. Mitten in der Messe ließ er sie wieder einmal hängen. Wie sie das hasste! Immer musste sie sich selbst um alles kümmern! Konnte der Tag nicht einmal reibungslos ablaufen? Resigniert griff sie nach dem großen Weidenkorb neben dem Herd und eilte in den Hof, um anstelle des elsässischen Kochs den Hühnern die Eier wegzunehmen. Zum Glück waren die meisten ihrer Hühner nicht schlau genug, um die frisch gelegten Eier zu verstecken. Nur die braune Lieblingshenne des Hahns suchte sich immer neue Schlupfwinkel. Aber die zu suchen hatte sie jetzt keine Zeit. Wahrscheinlich würden bald ein paar neue Küken über ihren Hof stolzieren, was machte das schon.
Im selben Moment, als sie die schon gut gefüllte Gaststube mit dem Korb am Arm betrat, sah sie durch die großen Frontfenster eine Art Sänfte vor dem Haus anhalten. Sie wurde von einem auffällig kleinen Mann gezogen, der sich wie ein Pferd davorgespannt hatte. Neben der Sänfte trottete ein Hund, so groß wie ein Pony, der ein gewaltiges Bündel auf den Rücken geschnürt hatte. Offenbar
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