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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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sie zusteuerte. Bereits von Weitem schwenkte er leutselig seine Mütze. Ohne den Geiger, der sie endlich freigegeben hatte, weiter zu beachten, trat Johanna zur Seite, um den Eingang zu ihrem Kaffeehaus nicht länger zu versperren. Sie nickte dem Neuankömmling kurz zu und raffte ihr Umschlagtuch über der Brust zusammen.
    »Sie gehen, gnädige Frau?«, fragte der Mann enttäuscht, als er erkannte, dass sie sich aufmachte, den Ort zu verlassen. »Äh, verzeihen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt«, beeilte er sich zu ergänzen. »Mein Name ist Martin Münch, ich komme sogar den ganzen Weg aus Sachsenhausen, um Ihren Kaffee zu genießen. Er ist der beste in ganz Frankfurt!«
    Nervös spielte er mit seiner Mütze. Seine blonden Haare, die er ungewöhnlich kurz trug, standen ihm vom Kopf ab.
    Warum nur musste er ausgerechnet jetzt das Gespräch mit ihr suchen?, fragte sich Johanna gereizt. War er nicht heute Morgen schon einmal da gewesen? Aus dem Augenwinkel sah sie Cornelia Haldersleben mit einem großen Staubwedel in der Hand am Fenster im ersten Stock ihres Hauses stehen und das Geschehen auf der Straße beobachten.
    »Das will ich meinen!«, bemühte sie sich um einen Ton, der zugleich scherzhaft und beflissen sein sollte. »Ich muss jetzt nur leider dringend etwas erledigen. Aber gehen Sie ruhig hinein, mein Gehilfe wird Ihnen einen vorzüglichen Mokka brauen.«
    Die ganze Zeit hatte Gabriel Stern schweigend neben ihr gestanden. Sie hatte seine Anwesenheit fast körperlich gespürt, wie eine leichte Berührung, sanft und stetig zugleich. Doch erst als die Tür des Kaffeehauses hinter Martin Münch ins Schloss gefallen war, wagte sie es, ihm ins Gesicht zu schauen.
    »Ich … ich muss mich entschuldigen«, brachte sie hervor. »Ich hatte es eilig, und …«
    In den dunklen, mandelförmigen Augen las sie Belustigung. Doch seine Stimme klang ernst, als der Geiger ihr nun beruhigend die Hand auf den Arm legte.
    »Frau Johanna, Sie müssen sich nicht bei mir entschuldigen! Ich hätte genauso gut besser aufpassen können. Aber …«, lachte er leise, »es war ja auch nicht so schlimm, oder?«
    Er bückte sich, um seinen Geigenkasten aufzunehmen. Sein Ton wurde wieder sachlich, als er sie nun am Ellbogen fasste und sanft vom Kaffeehaus wegdirigierte.
    »Kommen Sie, ich begleite Sie ein Stück, Sie haben es doch eilig, nicht wahr?«
    Jegliche Anspannung fiel von ihr ab, als sie sich von dem Musiker durch das Gewimmel der Gassen führen ließ. Plötzlich fühlte sich Johanna leicht und beschwingt. Sogar ihr Zorn auf Hannes war verraucht. Eigentlich musste sie schnell zurück, um weiter Bohnen zu rösten. Mit Anne im Wechsel hatte sie heute schon über mehrere Stunden hinweg an der Rösttrommel gestanden. Henriette Schley, die Gewürzkrämerin von gegenüber, hatte sich zum bestimmt hundertsten Mal über die Geruchsbelästigung in der Gasse beschwert. Der durchdringende Röstgeruch würde den feinen orientalischen Duft in ihrem Laden überlagern und ihre Kunden vom Kaufen abhalten, hatte die Schley’sche behauptet. Deshalb hatten sie die Trommel in den Hof gerückt. Doch Anne würde schon ohne sie auskommen, beschloss Johanna spontan, einmal musste es auch ohne sie gehen.
    Zielstrebig bahnte der Geiger ihnen einen Weg durch die wie immer überfüllte Fahrgasse. Johanna ahnte nicht, wohin er sie brachte, und es war ihr auch vollkommen gleichgültig; er machte den Eindruck, als wüsste er ganz genau, was er tat. Wie in einem Traum flog sie neben ihm her.
    Die Dämmerung nistete bereits hinter den Dächern. Nicht mehr lange, und die fahle Vorfrühlingssonne würde gänzlich untergehen. Majestätisch erhob sich der hohe Brückenturm vor ihnen, eingerahmt von der Festungsmauer. Dahinter lag der Main, träge und glatt, ein lang gezogenes, silbriges Band. Ein paar Fischernachen liefen zum abendlichen Fang aus.
    Gabriel steuerte geradewegs auf das nächste Tor flussaufwärts in dem steinernen Wall zu. Er lief schnell und leichtfüßig, den Geigenkasten in der Hand. Immer wieder streckte er seine freie Hand nach ihr aus, um ihr ein Hindernis überwinden zu helfen oder, so kam es ihr vor, die Verbindung zu ihr nicht abreißen zu lassen. Sie hatte Mühe, ihm zu folgen, schon taten ihr vom hastigen Ausschreiten die Lungen weh. Und nun begann er auch noch die Uferböschung hinunterzuklettern. Wie eine Gämse, dachte Johanna. Ohne zu straucheln. Und ohne sich mit der Hand abzustützen.
    Unten angekommen, legte er den

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