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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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eingewilligt, dir die wichtigsten Dinge zu vermitteln, damit du hier bella figura machen kannst. Komm mit, ich stelle sie dir vor!«
    Marcello führte sie an einen kleinen Tisch am Fenster, an dem eine uralte winzige Frau saß, die kaum den Kopf hob, als der Zauberer sie begrüßte. Erst auf den zweiten Blick erkannte Johanna, dass sie einen Buckel hatte, der ihre Bewegungsfreiheit stark einschränkte. Doch die funkelnden Augen der Armenierin, die bereits als halbwüchsiges Mädchen aus Antiochia in den Harem des Sultans gekommen war, wie sie von Marcello wusste, waren wach und lebhaft.
    »Iyi aksaşmlar« , begrüßte sie Johanna mit einem zahnlosen Lächeln. »Ich habe schon von dir gehört. Fatma hat mir erzählt, dass du eine berühmte Kaffeemeisterin aus Frankfurt bist und auch schon die Venezianer mit deinen Künsten verzaubert hast.«
    »Ich glaube, mit Ihnen werde ich mich noch lange nicht messen können«, wehrte Johanna bescheiden ab. »Es heißt zwar, mein Kaffee sei etwas Besonderes, aber die Leute in meiner Hei mat haben nur wenig Vergleich. Ich habe ja selbst erst in Venedig gemerkt, was es alles für Möglichkeiten gibt, Kaffee zuzuberei ten – viel mehr, als ich je geahnt hätte! Aber das ist für jemanden wie Sie, die für den Sultan höchstpersönlich Kaffee zubereitet, wahrscheinlich noch gar nichts!«
    Nachdem Marcello Johannas Worte zu Ende übersetzt hatte, legte die Alte ihr die gichtige Hand auf den Arm und nickte ihr freundlich zu, während sie gleichzeitig begann, in einem irrwitzigen Tempo auf den Zauberer einzureden.
    Johanna verstand nur saray , kahve und padi ş ah , was – so viel wusste sie bereits – »Palast«, »Kaffee« und »Sultan« bedeutete.
    »Was hat sie gesagt, Marcello?«, bedrängte sie den Neapolitaner, der mit seiner Aufgabe als Sprachvermittler zwischen den beiden Frauen sichtlich überfordert war. »Was meint sie?«
    »Uffa« , stöhnte Marcello. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ihr Frauen seid ganz schön anstrengend – jede auf ihre Weise, egal ob alt oder jung. Es ist wirklich höchste Zeit, dass du Türkisch lernst, Giovanna!«
    Er zierte sich noch eine Weile, aber als Fatma ihm noch einmal klar gemacht hatte, wie dringend sie Johannas Hilfe bei der Zubereitung des Kaffees benötigte, begleitete er die alte und die junge Frau in die Küche, wo die Wirtin der Goldenen Kaffeetasse bereits sämtliche Utensilien aufgebaut hatte.
    Aglaias Bewegungen waren zwar langsam, aber hochkonzentriert. Als Erstes entzündete sie ein wenig Weihrauch in einem steinernen Gefäß. Auf Johannas fragenden Blick hin hob sie die gefalteten Hände gen Himmel und legte sie dann in einer Art Verbeugung kurz an die Stirn. Dabei murmelte sie Worte in einer fremden Sprache, die nur Armenisch sein konnte – wenn es denn kein Zauberspruch war, dachte Johanna. Aber auch Marcello, der genauso wenig zu verstehen schien wie sie selbst, zuckte nur hilflos mit den Achseln.
    Stumm schauten sie zu, wie die Alte langsam eine Handvoll Kaffeebohnen anröstete, bis sie braun waren, sie abkühlen ließ, die verbrannten eine nach der anderen aussortierte, um dann die restlichen Bohnen umständlich in einem kleinen Mörser zu zerkleinern.
    Irgendwann bemerkte Johanna, dass Marcello kaum mehr still stehen konnte. Dauernd hüpfte er von einem Bein aufs andere, rüttelte an dem Weihrauchgefäß oder sammelte die verbrannten Kaffeebohnen auf, die Aglaia achtlos auf den Boden hatte fallen lassen.
    » Che c’è, Marcello?« , raunte sie ihm zu. »Was ist los?«
    »Ich glaube, ich schaue mal, was Fatma macht«, erwiderte der Neapolitaner prompt. »Ihr braucht mich ja hier im Moment nicht, oder?«
    Johanna nickte nur, ohne ihn anzusehen. Sie brauchte ihn tatsächlich nicht, um zu erkennen, was die alte Aglaia anders machte als sie selbst. Fasziniert verfolgte sie jeden einzelnen Handgriff, den die Armenierin tat.
    »Du willst sicher mein Geheimnis erfahren, nicht wahr, mein Täubchen?«, hörte sie nach einer Weile eine Stimme fragen, die ihr auf seltsame Weise bekannt vorkam.
    Doch diese Stimme hatte auf Deutsch zu ihr gesprochen, ein seltsames Deutsch, das aus einer anderen Zeit zu stammen schien. Verwirrt schaute sich Johanna um. Aber außer der alten Aglaia und ihr selbst war niemand sonst in der Küche.
    »Meine Mutter sprach Deutsch«, kicherte die Kaffeemeisterin des Sultans, als sie Johannas Verwirrung bemerkte. »Sie hatte genauso rotes Haar wie du, genauso weiße Haut. Hast du doch, rotes

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