Die Kaffeemeisterin
entführte.
»Ich kann es gar nicht fassen, dass ihr hier seid!«, sagte Fatma noch immer völlig aus dem Häuschen. »Gott hat euch geschickt! Es wird wahnsinnig voll werden heute Abend, wenn Fuad seine Märchen erzählt. Er ist bis weit über die Grenzen des Osmanischen Reiches berühmt.«
Marcello kam mit dem Übersetzen für Johanna kaum mehr nach, so schnell sprach die Frau, die ihm zwischendurch liebevoll in die Wange zwickte. Aber auch er wirkte ganz beglückt, dachte Johanna, all der Unmut, den sie in Venedig an ihm gespürt hatte, schien wie weggeblasen.
Schließlich griff Fatma nach ihrem Ärmel.
»Du wirst uns doch heute Abend helfen, oder, Johanna?«, vergewisserte sie sich mit einschmeichelnder Stimme. »Jede erfahrene Hand wird in der Goldenen Kaffeetasse gebraucht.« Ohne Johannas Antwort abzuwarten, drehte sie sich zu ihrem alten Freund um. »Und dich, mein lieber Marcello, dich kündigen wir gleich für morgen als ›die Sensation aus Venedig‹ an! Die Leute werden vor Begeisterung toben, wenn sie deine Zaubertricks sehen.«
Ein verschmitztes Grinsen erhellte ihr Gesicht, als sie sich noch einmal zu Johanna hinüberbeugte.
»Übrigens kommt auch Aglaia heute Abend, die Kaffeemeisterin des Sultans. Du willst sie bestimmt kennenlernen …«
18. KAPITEL
F atma hatte Johanna einen kleinen Alkoven direkt hinter derGaststube überlassen. Er war nur durch einen Vorhang vom Flur abgetrennt, der zum Hof führte, und ständig lief irgend jemand vorbei, um etwas zu holen oder wegzubringen. Außerdem lag die Küche nebenan, sodass die Dunstschwaden von gebratenem Fleisch und Fisch auch über ihrem Bett hingen. Das einzig Schöne an ihrer Schlafstätte war das Plätschern des kleinen Springbrunnens im Hof. Aber sie würde sich ja ohnehin nie lange in dem Kämmerchen aufhalten. So auch jetzt nicht, da Fatma unten im Kaffeehaus mit ihr rechnete, schließlich sollten bald zahlreiche Gäste erscheinen und die Märchenstunde beginnen.
Johanna hatte ihre Haube, die sie die ganze Zeit in Venedig nicht getragen, aber für die Überfahrt wieder hervorgekramt hatte, gegen ein dunkles Tuch von Fatma eingetauscht. Mit ihrem blassen Teint würde sie ohnehin schon genug auffallen, da wollte sie wenigstens gekleidet sein wie alle anderen und nicht gleich die Blicke auf sich ziehen. Marcello hatte ihr erklärt, dass die türkischen Männer den italienischen in nichts nachstanden, was ihre Empfänglichkeit für weibliche Reize betraf.
Er hatte recht gehabt, dachte sie, als sie die bereits gut gefüllte Gaststube der Goldenen Kaffeekanne betrat und sich die Köpfe der Anwesenden, ausnahmslos Männer, sofort in ihre Richtung drehten. Doch sie hatte keine Zeit, sich weitere Gedanken zu machen, denn kaum hatte Fatma sie gesehen, hatte sie ihr auch schon ein voll beladenes Tablett in die Hand gedrückt und auf einen Tisch in der hintersten Ecke des Raumes gezeigt.
Johanna nickte grüßend und stellte flink die Tassen vor den Gästen ab. Als einer der Männer am Tisch sie in ein Gespräch verwickeln wollte, zuckte sie nur bedauernd mit den Schultern und lächelte ihm verlegen zu.
»Non capisco niente. Parlo solo italiano.«
In der vagen Hoffnung, dass Italienisch in Konstantinopel vielleicht besser verstanden werden würde als Deutsch, hatte sie unwillkürlich die Fremdsprache gewählt. Doch an dem Stirnrunzeln Fatmas, die hinter ihr an den Tisch getreten war und nun beruhigend auf die aufgebracht diskutierenden Männer einredete, erkannte sie, dass die Sprache der Venezianer hier nicht gerade beliebt war.
Marcello hatte die Szene von seinem Platz am Nachbartisch aus beobachtet. Nach einem kurzen Zwiegespräch mit Fatma, deren Züge eine leichte Gereiztheit verrieten, winkte er Johanna zu sich heran.
»Du musst dringend Türkisch lernen, cara mia «, sagte er amüsiert, »sonst kommst du hier nicht weit. Fatma meint, es hat keinen Zweck, dass du irgendwelche Bestellungen annimmst oder die Getränke an die Tische trägst. Du würdest nur ihre Gäste verrückt machen mit deiner Schönheit und deiner fremden Sprache. Sie hält es für besser, wenn du in der Küche bleibst oder beim Kaffeekochen hilfst.« Er hob beschwichtigend die Hand, als Johanna ihm ins Wort fallen wollte. »Aber erst sollst du lernen, wie die Türken ihren Kaffee zubereiten«, fuhr er mit einem kleinen Lächeln fort, »damit du nicht noch mehr Verwirrung stiftest. Und zwar bei der Kaffeemeisterin des Sultans persönlich, der alten Aglaia. Sie hat
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