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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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dumm. Besser, man sieht nichts und hört nichts. Sonst …« In einer raschen Bewegung fuhr sie sich mit der Handkante über den Hals und fauchte: » Chrrrrrh t !«
    Johanna erschrak. Was hatte das zu bedeuten? Wurden im Palast des Sultans etwa Leute geköpft? Oder war die alte Frau einfach nur verrückt? Vielleicht bildete sie sich ja ein, als Nachfahrin von Kreuzrittern besonders gefährdet zu sein …
    In dem Moment klopfte es an der Tür. Marcello steckte den Kopf in die Küche hinein. Über seine Schulter konnte Johanna einen Blick in die voll besetzte Gaststube der Goldenen Kaffeetasse erhaschen. Die sonore Stimme des Geschichtenerzählers drang an ihr Ohr: » Bir varm ı ş bir yokm u ş … Es war einmal …«
    »Seid ihr so weit?«, fragte der Zauberer ungeduldig. »Fatma wartet.«
    »Wir kommen«, erwiderte Johanna folgsam.
    Dann drehte sie sich zum Herd um, wo Aglaia gerade versuchte, eine Ladung kochendes Wasser in eine große Messingkanne zu füllen. Mit ihren verkrüppelten Gliedmaßen kam sie kaum bis zum Rand der Kanne. In ihrem Gesicht zeichneten sich vor Anstrengung noch mehr Falten ab als zuvor.
    Schnell trat Johanna auf sie zu, um ihr das schwere Gefäß abzunehmen.
    »Teşekkür ederim« , murmelte die Alte, »danke schön.«
    Nur durch ihr Augenzwinkern ließ sie erkennen, dass sie und Johanna nun ein Geheimnis teilten.
    »Gern geschehen, große Meisterin«, gab diese zurück und senkte ehrerbietig den Kopf.

19. KAPITEL
    A llahu akba r !«
    Der Westwind trug den Gebetsruf von der Süleymaniye-Moschee zu ihnen herüber.
    Die Schwester des Sultans hob ihren Schleier an und nahm noch einen tiefen Zug aus der leise blubbernden Wasserpfeife.
    »Allahu akbar. Aschhadu an la ilaha illa allah!« , rief der Muezzin.
    »Ist es schon wieder so weit?«, fragte die Sultana im Tonfall äußerster Überraschung in die Runde und riss die dunkel umrandeten Augen auf. Sie schob den Kopf ein wenig vor, als wollte sie damit ausdrücken, dass sich der Muezzin nur in der Zeit vertan haben konnte. Den schmalen Sehschlitz ihres Schleiers hatte sie weit nach unten gezogen, damit der Rauch ungehindert durch ihre Nasenlöcher austreten konnte.
    Alle wussten, dass die Schwester des Sultans die Arabischstunden ihrer Töchter absichtlich zum Mittagsgebet stattfinden ließ. Und tatsächlich sagte Zehra wie jeden Tag:
    »Aglaia, geh du für uns beten! Sei so lieb, wir sind gerade so beschäftigt, und ich kann die Kleinen ja nicht mit Süleyman und Yuhanissa alleine lassen. Süleyman ist ihretwegen hergekommen, wir können den Unterricht jetzt nicht unterbrechen!« Sie sah in den Himmel und fügte hinzu: »Wir waren ja heute schon. Das müsste doch reichen, inschallah. «
    Ihr schlechtes Gewissen, weil sie ihre nicht-muslimische Sklavin zum Beten schickte, beruhigte sie stets mit den Worten:
    »Es ist gut für dich, Aglaia. Am Tag des Jüngsten Gerichts wird Gott dich ins Paradies hineinlassen, weil du fleißig gebetet hast.«
    Hatice und Selma kicherten.
    Aglaia erhob sich und schlurfte hinaus. »Beten ist gut für den Rücken«, hatte sie Johanna anvertraut, als diese sie gefragt hatte, ob es ihr nichts ausmache, die Schwester des Sultans stets zu vertreten.
    Der Arabischlehrer, ein Jude aus Alexandria namens Salomon, schwitzte und rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. Er war ein dunkelhäutiger Mann mit riesigen Augen und wie in Stein gemeißelten Gesichtszügen. Jedes Mal, wenn der Gebetsruf erklang, steigerte sich seine Nervosität so sehr, dass er genauso herumzappelte wie seine kleinen Schülerinnen, weil er befürchtete, auch er könne zum Beten geschickt werden. Zehra hatte ihn unter verschiedenen Bewerbern wegen seines guten Aussehens ausgewählt. Wenn er zum Unterricht erschien, drängelten sich die Bewohnerinnen des Harems hinter der großen geschnitzten Holztür und starrten ihn durch die Löcher hindurch an.
    »Gieß mir noch mal ein, Yuhanissa!«, sagte die Schwester des Sultans und schob Johanna ihre Kaffeetasse zu.
    »Çok teşekkür« , bedankte sie sich.
    »Nichts zu danken«, erwiderte Johanna in ihrem holprigen Türkisch.
    Sie saßen auf einem weichen Teppich auf dem vergitterten Holzbalkon des Harems und blickten auf den Bosporus hinunter. Unzählige Boote tummelten sich auf dem Wasser. Vom Marmarameer kamen mehrere voll beladene Frachter, die unter verschiedenen Flaggen segelten. Johanna staunte noch immer über die Helligkeit, die die Sonne hier schon im Frühjahr verbreitete. Der Himmel war in

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