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Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Schneidmüller
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langes Ringen ost- und westfränkischer Herrscher. Der kurzzeitigen westfränkischen Durchsetzung im Imperium 875 schlossen sich 881 und 896 ostfränkische Erfolge an. Bis 924/925 zeigte der beständige Wandel im Kaisertum wie in der Zugehörigkeit Lotharingiens die Vielfalt fränkischer Handlungsgemeinschaften an. Im langen Zerfall des einstigen Großreichs begann die Neuformierung der mittelalterlichen Königreiche und späteren Nationen.
    Entscheidende Weichenstellungen erfolgten im zweiten Drittel des 9. Jahrhunderts. Aus unterschiedlichen Wurzeln zufällig entstanden, festigten sich die Reiche Ludwigs II. und Karls II. in Ost- wie in Westfranken. Anfangs nach den Königen benannt, schufen sie bald neue Identitätsräume für die wichtigen Adelsverbände. Nun wurden die neuen Reiche mit ihren Grenzen zum Aktionsfeld, nicht mehr der weite Rahmen des einstigen fränkischen Großreichs. In diesen prägenden Jahrzehnten herrschteLudwig II. als Kaiser in Italien. 858 – so berichtete selbstbewusst das Buch der Päpste – leistete er wie Pippin 754 dem neu gewählten Papst Nikolaus I. zweimal den Stratordienst: In symbolischer Unterordnung führte der Kaiser zu Fuß wie ein Knecht das Pferd des reitenden Papstes am Zügel umher. Seine italienische Handlungsgemeinschaft mit den Päpsten und den adligen Eliten – einst aus Franken, Bayern und Alemannien gekommen, aber längst im Land südlich der Alpen verwurzelt – formte die Geschichte des Kaisertums. Der Besitz Italiens und die Herrschaft begründende Krönung durch die Päpste gewannen fundamentale Bedeutung.
    Als absehbar wurde, dass Ludwig ohne männliche Nachkommen sterben würde, hofften seine beiden Onkel auf das Erbe. Zielgerichtet baute Karl II. seine Anwartschaft auf und ließ sich von den Päpsten Hadrian II. (867–872) und Johannes VIII. (872–882) vertrauliche Zusicherungen auf die Kaiserkrönung geben. Beim Tod Ludwigs II. am 12. August 875 lud Papst Johannes VIII. den westfränkischen König zum Krönungszug ein. Er war schneller als sein ostfränkischer Bruder. Der Zufall des Augenblicks begründete damit das einzige Kaisertum eines Westfranken in der Geschichte. Manche französischen Herrscher oder Prinzen machten sich in späteren Jahrhunderten vergeblich Hoffnungen auf die römische Kaiserkrone. Unter ganz anderen Vorzeichen stieg erst Napoleon I. zum Kaiser der Franzosen auf, 929 Jahre nach der Kaiserkrönung Karls II. Die frühmittelalterlichen Weichenstellungen folgten noch politischen Zufällen, keinem einheitlichen Muster und schon gar nicht legitimatorischer Zwangsläufigkeit.
    Der beherzte Zugriff Karls II., das Ausschalten ostfränkischer Begehrlichkeiten und der rasche Zug über die Alpen sicherten dem gleichnamigen Enkel Karls des Großen am Weihnachtstag des Jahres 875 die Kaiserkrönung im römischen Petersdom, auf den Tag genau 75 Jahre nach der Begründung des westlichen Kaisertums durch Karl den Großen. Der enttäuschte Bruder Ludwig II. fiel dafür ins westfränkische Reich ein und feierte das gleiche Weihnachtsfest demonstrativ in Karls Pfalz Attigny, ohne sich dort wirklich behaupten zu können. Weihnachten alsMachtdemonstration im innerfränkischen Wettbewerb, Rom oder Attigny, Karl II. oder Ludwig II.: 875 gewann der Westen einmal das Rennen. Doch der Streit der beiden alternden Karlsenkel ließ den Urheber dieses fünften Kaisertums in der fränkischen Geschichte nicht vergessen. Die Kaiserkrönung von 875 beruhte auf einer freien Auswahlentscheidung Papst Johannes’ VIII. zwischen gleich würdigen Kandidaten. Das Heft des Handelns fiel erstmals jener Institution zu, die bisher nur für die liturgischen Ornamente zuständig schien.
    Der neue Kaiser zog nicht, wie vom Papst ersehnt, gegen die bedrohlichen Sarazenen in Süditalien, sondern versuchte die einstige Machtstellung Ludwigs II. auszufüllen. Jetzt schieden sich kuriale Erwartungen und kaiserliche Möglichkeiten. Das Kaisertum wurde seinen Inhabern zum Titel, nicht zum unkalkulierbaren Abenteuer im Dienst der Päpste. Hoffnungen und Handlungsspielräume kamen nicht zur Deckung. So wuchsen die Enttäuschungen. Die erträumte Weltgeltung des Kaisertums stieß an die Grenzen des Machbaren. Ober- und Mittelitalien als imperialer Resonanzboden bot schon genug expansive Verlockungen.
    Eine Reichsversammlung in Pavia proklamierte Karl im Februar 876 zum Schützer und Verteidiger Italiens. Um dem ansatzweise gerecht zu werden, setzte er seinen Schwager Boso von Vienne zum

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