Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.

Titel: Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Schneidmüller
Vom Netzwerk:
politischen Stellvertreter in Italien ein. Boso heiratete Irmingard, die Tochter Kaiser Ludwigs II., und sicherte damit seine Stellung. Den Coup des westfränkischen Königs kommentierten die ostfränkischen Annalen aus Fulda mit empörten Worten: «(Karl) brach seine Zusage und zog, so schnell er konnte, nach Rom. Den ganzen Senat des römischen Volkes bestach er mit Geld wie Jugurtha und gewann ihn für sich, so dass auch Papst Johannes seinen Bitten willfahrte, ihm die Krone auf das Haupt setzte und ihn Kaiser und Augustus nennen ließ.» Der Bericht zu 876 machte die Distanz zum Kaiser und zu seinem – nach Fuldaer Geschmack allzu multikulturellen – Stil noch deutlicher: «Als König Karl aus Italien nach Gallien zurückgekehrt war, nahm er, so erzählt man, neue und ungewöhnliche Tracht an … Alle Sitten fränkischer Könige verachtend,hielt er griechischen Prunk für den besten, und um seinen gesteigerten Stolz zu zeigen, legte er den Königstitel ab und ließ sich Kaiser und Augustus nennen über alle Könige diesseits des Meeres.»
    Jetzt geriet das Kaisertum zum Zankapfel fränkischer Politik. In kriegerischen Auseinandersetzungen mit seinen ostfränkischen Verwandten erlitt Karl II. 876 bei Andernach am Rhein eine schwere Schlappe. Bald wandte sich der Adel seines westfränkischen Reichs von ihm ab. Ein zweiter Italienzug des Kaisers 877 endete im Fiasko, als ihm die eigenen Gefolgsleute die Unterstützung versagten. Bei der Flucht über die Alpen starb Karl II. am
6.
Oktober 877 im savoyischen Dorf Avrieux. Zunächst provisorisch im Kloster Nantua bestattet, wurde der Leichnam später ins westfränkische Königskloster Saint-Denis überführt. Die aufgeregte Parteilichkeit der Zeit schlug sich in Berichten von Tod und Grablege nieder. Die Annalen von Saint-Bertin schoben den plötzlichen Tod in einer elenden Hütte als Giftmord einem jüdischen Leibarzt in die Schuhe. Trotz aller Einbalsamierung mit Wein und Wohlgerüchen hätte die Leiche einen so unerträglichen Gestank ausgeströmt, dass niemand sie tragen wollte. Im schlechten Tod des Kaisers spiegelte sich den Zeitgenossen ein erfolgloses Leben.
    Als König folgte im westfränkischen Reich Karls Sohn Ludwig II. («der Stammler») nach. Dagegen misslang die rasche Fortsetzung des Kaisertums. Der Stammler folgte einer Einladung des Papstes nicht. Und die drei ostfränkischen Brüder Ludwig III. («der Jüngere»), Karlmann und Karl III. («der Dicke») verstanden zwar kraftvoll aufzutreten, doch Ludwig III. und Karlmann fielen nacheinander einer furchtbaren Krankheit der späten Karolinger zum Opfer. So zog der übrig gebliebene Karl III. auf Einladung des Papstes nach Italien, wo er Anfang 880 in Ravenna das italienische Königtum empfing. Im Februar 881 wurde er mit seiner Gemahlin Richgarda «mit großem Ruhm» im römischen Petersdom zum Kaiser gekrönt und gesalbt. Dieser Akt könnte aus der Rückschau als zaghafter Beginn einer ostfränkischen Kaisertradition gelten, wenn sie auch noch durch vier Kaiserkrönungen italienischer Herrscher unterbrochenwerden sollte. Es führten keine geraden Linien von Karl III. zu Otto dem Großen und seinen Nachfolgern auf dem ostfränkisch-deutschen Thron.
    Dynastische Zufälle fügten unter Karl III. das große Frankenreich noch einmal zusammen. Als 885 die westfränkische Karolingerlinie unterbrochen schien, rief der Adel Karl ins Reich. Für drei Jahre versuchte er, in die Fußstapfen seines großen Urgroßvaters zu treten. Die äußeren Bedrohungen durch Normannen und Sarazenen, die gewachsene Selbstständigkeit der Teilreiche und die zunehmende Handlungsunfähigkeit Karls III. erwiesen aber, dass das Rad der Geschichte nicht mehr zurückzudrehen war. Ein Putsch von Karls Neffen Arnulf («von Kärnten») stieß den Kaiser 887 vom Thron. Vergeblich hatte Karl noch versucht, seinen unehelichen Sohn Bernhard oder den 887 von ihm adoptierten Ludwig (später Ludwig III. «der Blinde»), Sohn Bosos und der karolingischen Kaisertochter Irmingard, als Nachfolger durchzusetzen.
    888 zerbrach das Frankenreich endgültig in fünf Einheiten. Im ostfränkischen Reich regierten bis 911 zwei letzte Karolinger; dann folgten ein Konradiner (911–918) und die Liudolfinger/Ottonen (919–1024). Im westfränkischen Reich stritt eine in ihrer Rechtmäßigkeit zunächst umstrittene Nachfahrenlinie Ludwigs II. («des Stammlers») für ein ganzes Jahrhundert mit dem neuen Königsgeschlecht der Robertiner/Kapetinger. Es setzte

Weitere Kostenlose Bücher