Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Limes und ergossen sich in das sogenannte Dekumatland (oben S. 106). Ihr weiterer Weg führte sie über Aventicum/Avenches,
das sie zerstörten, ins südliche Gallien. Von dort drangen sie über die Alpen (Mt. Genèvre) nach Norditalien vor. An der oberen
Donau ergriffen die Juthungen die Gelegenheit, welche die Schwächung der Limesverteidigung ihnen bot, um in Rätien einzufallen
und ebenfalls ihren Weg nach Oberitalien (über den Brenner) zu nehmen, wo sie, wie die Alamannen, beutegierig umherstreiften.
Rom fühlte sich ebenso bedroht (Zosim. 1, 37, 2) wie Ravenna (Eutr. 9, 7). Zahlreiche |224| Münzschatzvergrabungen in Gallien und Rätien bezeugten das Unheil, welches mit den Germanen über diese Gebiete kam.
Die Gefährdung des Kernlandes der römischen Herrschaft, ja, der Hauptstadt selbst, zwang Gallienus 260 zum sofortigen Eingreifen.
Während Aureolus die Erhebung des Ingenuus durch die Schlacht von Mursa (an der Drau) niederschlug (Aur. Vict. de Caes. 33,
2), stellte Gallienus die in Norditalien plündernden Germanen (Zonar. 12, 24: Alamannen) bei Mediolanum/Mailand und bezwang
sie in einer großen Schlacht. Schon vorher hatte der Statthalter Rätiens, M. Simplicianus Genialis, die aus Italien mit Tausenden
Gefangener zurückkehrenden Juthungen in einem zwei Tage währenden Kampf bei Augusta Vindelicum/Augsburg besiegt. Die Inschrift
auf dem kürzlich erst gefundenen Denkmal dieses Sieges (Année épigr. 1993, 1231) gab als Datum der Kämpfe den 24. / 25. April 260 an. Bemerkenswerterweise war daran auch eine Bürgermiliz beteiligt.
Das Denkmal der Juthungenschlacht wurde fünf Monate nach dem Ereignis, nämlich am 11. September 260, geweiht. Zu diesem Zeitpunkt
hatte Postumus, der als Befehlshaber in Gallien und am Rhein von seinen Truppen zum Kaiser ausgerufen worden war, Köln in
Besitz genommen und den hier von Gallienus 259 als Stellvertreter zurückgelassenen Sohn Saloninus beseitigt. Binnen kurzem
wurde Postumus nicht nur in Gallien, sondern auch in Rätien, Spanien und Britannien als Kaiser anerkannt. Der rätische Statthalter
datierte das Siegesdenkmal von Augsburg nach dem Konsulat des Postumus Augustus.
Die Usurpation des Postumus wurde zwar durch einen Streit um Beute veranlaßt – die Soldaten hatten sie plündernden Germanen
abgenommen und wollten sie nicht an Saloninus ausliefern (Zonar. 12, 24) –, aber dahinter stand auch der Wunsch des Militärs
und der Zivilbevölkerung Galliens, einen Kaiser bei sich zu haben, der sich intensiv um die Grenzverteidigung am Rhein und
überhaupt um das Wohlergehen Galliens kümmere (Hist. Aug. trig. tyr. 3, 4). Nach der römischen Kaiserideologie verlangten
sie einen „Verteidiger der römischen Herrschaft“ (vgl. Hist. Aug. trig. tyr. 5, 5), pragmatisch aber konnten sie diesem nur
ein
imperium Galliarum
(vgl. Eutr. 9, 9, 3) offerieren.
Fast gleichzeitig mit der Usurpation des Postumus am Rhein mußte Gallienus die Kaisererhebung des Regalianus an der Donau
hinnehmen, nachdem hier gerade erst Ingenuus bezwungen worden war (s. o.). Der neuerlich erhobene Anspruch Pannoniens auf
einen |225| Kaiser hatte seinen Grund in der Lage an der Donaugrenze: Als Kaiser mußte Regalianus sofort gegen die Sarmaten in den Kampf
ziehen und war auch erfolgreich (Hist. Aug. trig. tyr. 10, 2). Dann aber stürzten sich die Roxolanen aus dem Banat auf Pannonien
und rollten die Provinz von Sirmium aus auf, soll heißen: sie machten eine Einöde aus ihr (Eutr. 9, 8, 2). Regalianus fiel
wahrscheinlich im Kampf.
Mit dem Sieg über Macrianus in der Schlacht von Serdica und der Beseitigung des Quietus in Emesa (oben S. 222) kam 261 eine
Ereigniswelle zum Stillstand, die 259 mit den Germanenangriffen an Rhein und Donau begonnen hatte und mit der Gefangennahme
Valerians durch die Perser 260 ihren Höhepunkt erreichte. Das Imperium Romanum schien zusammenzubrechen. Aber wie im Osten
Odaenathus ihm zu Hilfe kam, so übernahm im Westen Postumus eine ähnliche Rolle. Und Gallienus selbst war keineswegs untätig,
auch wenn eine ihm übelwollende Überlieferung dies behauptete (vgl. Eutr. 9, 11, 1).
Seine Hoffnung setzte Gallienus auf das Heer, dessen Struktur und Einsatz er den gewandelten Verhältnissen anzupassen bestrebt
war. So schuf er ein selbständiges Reiterheer, indem er die besten Leute aus den Reiterkontingenten der Legionen und aus den
berittenen Auxiliareinheiten
( alae
) dem neuen Kavalleriekorps
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