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Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

Titel: Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Bellen
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Nachdruck verliehen. Senatoren aber, deren Ehrgeiz von ‘zivilen’ Ämtern nicht befriedigt werden konnte,
     zogen sich auf ihre Güter zurück und verwandten auf diese ihre ganze Energie, was auch bedeutete, daß sie Land hinzuzugewinnen
     trachteten. So ergab sich ein Trend zur Bildung bzw. Erweiterung von Landgütern, wobei auch unsaubere Mittel reichlich angewandt
     wurden. Cyprian wußte von „heimtücki schen Machenschaften“, die in Africa zum „Raub“ von Gütern führten (Cypr. de laps. 6), und Gregor der Wundertäter deutete Ähnliches
     für das Pontusgebiet anläßlich des Goteneinfalls an (oben S. 219). Es gab ja genug außergewöhnliche Ereignisse, die auf diese
     Weise genutzt werden konnten. Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang etwa noch das zur Zeit des Gallienus überhandnehmende
     Räuberunwesen auf Sizilien (Hist. Aug. Gallien. 4, 9).
    Zunahme und Intensivierung der großen Güter (Latifundien) infolge der Umstrukturierung der Oberschicht wirkten zurück auf
     das Verhalten der Gutsbesitzer gegenüber ihren Arbeitskräften. In einer Zeit des Mangels an solchen (Cypr. ad Demetr. 3) waren
     die Gutsbesitzer bestrebt, die Kolonen, welche den Großteil des Personals bildeten, ganz unter ihre Kontrolle zu bringen,
     d. h. vor allem, sie in ihrem Pachtvertrag und auf ihrer Parzelle festzuhalten, womöglich auf immer: Die Bindung an die Scholle
     warf ihre Schatten voraus. Darüber hinaus wirkte die Macht, welche die Großgüter ausstrahlten, sich auch so aus, daß mancher
     unabhängige Bauer in deren Umgebung sich dem Schutz des betreffenden Gutsbesitzers anvertraute und so in dessen Abhängigkeit
     geriet – die Latifundien entwickelten sich zu Grundherrschaften.
    Die Attraktivität der großen Güter bestand nicht zuletzt in deren autarkem Wirtschaftssystem, dem der fortschreitende Währungsverfall
     nicht allzu viel anhaben konnte. Dieser (vgl. oben S. 218) nahm unter Gallienus’ Alleinherrschaft (nach 260) katastrophale
     Formen an. Der Antoninian, der bis dahin auf einen Feingehalt von |228| 15% gesunken war und ein Gewicht von 3,0 g aufwies, fiel nun auf 6% Silber bei einem Gewicht von 2,5 g, und dies war noch
     nicht das Ende. Dem Aureus erging es ähnlich. Von 2,3 g, auf die er inzwischen angelangt war, fiel er jetzt nochmals um 1,0
     g (auf 1,25 g). Die römische Währung geriet völlig in Mißkredit. Kein Wunder, daß 260 in Oxyrhynchus/Ägypten die Geldwechsler
     ihre Geschäfte schlossen und das „kaiserliche Geld“ nicht mehr annehmen wollten. Sie mußten unter Strafandrohung dazu gezwungen
     werden (Pap. Oxy. XII 1411).

Es war typisch für die Zeit des Gallienus, daß der glanzvollen Feier seiner Decennalien im Jahre 262 (Hist. Aug. Gallien.
     7, 4   –   9, 8) sozusagen auf dem Fuße neue Katastrophen folgten. Ein gewaltiges Erdbeben erschütterte die Mittelmeerwelt und war von
     einer mehrere Tage währenden Finsternis begleitet. Besonders in Kleinasien richtete es große Schäden an, aber auch in Afrika
     und Rom. Zugleich trat die Pest (vgl. oben S. 218) in Griechenland und Rom mit besonderer Heftigkeit auf. Die Not war so groß,
     daß die Sibyllinischen Bücher nach einem Sühnemittel für die Götter befragt wurden. Es bestand in einem Opfer an Iupiter Salutaris
     (Hist. Aug. Gallien. 5, 2   –   5).
    Der Aufenthalt des Gallienus in Rom hat baulich keine Spuren hinterlassen. Abgesehen von der Ehreninschrift auf dem Gebälk
     der Porta Esquilina (Corp. Inscr. Lat. VI 1106) bei S. Maria Maggiore (sog. arco di Gallieno) erinnert kein Gebäude an diesen
     Kaiser, der doch nach 260 etliche Zeit in Rom residierte. Er soll jedoch vorgehabt haben, in Kampanien eine neue Stadt eigenen
     Charakters zu bauen. Dieser Plan war die Frucht seiner Bekanntschaft mit Plotinus, dem Begründer des Neuplatonismus, der seit
     244 in Rom eine ausgedehnte und einflußreiche Lehrtätigkeit entfaltete. In der kampanischen Stadt, für die bezeichnenderweise
     der Name Platonopolis vorgesehen war, wollte Plotin mit seinen Jüngern eine Lebensgemeinschaft nach den Regeln der platonischen
     Gesetze begründen. Der Plan kam jedoch durch den Einspruch der Berater des Kaisers nicht zustande (Porphyr. vit. Plot. 12).
     Dagegen war dem philosophischen Lehrgebäude Plotins größere Gunst beschieden. Sein Schüler Porphyrius teilte die 54 Schriften
     in 6 ›Enneaden‹ ein, und diese Neunergruppen haben sich alle erhalten – als Zeugnisse hohen Geistesfluges in einer niederdrückenden
     Zeit.

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