Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Andererseits waren höhere staatliche Aufwendungen erforderlich,
um der Plebs den zusätzlichen Freitisch zu ermöglichen. Aurelian wies deshalb der Stadt Rom einen bestimmten Teil des ägyptischen
Steueraufkommens, das sogenannte
anabolicum
(Sondersteuer für Glas, Papyrus, Leinen, Hanf), „auf Dauer“ zu (Hist. Aug. Aur. 45, 1). All dies geschah, wie Aurelian selbst
gesagt haben soll, weil ihm nichts erfreulicher sei als ein sattes Volk (Hist. Aug. Aur. 47, 4). Selbst um den Verkauf von
billigem Wein soll er sich gekümmert haben!
Wie sehr Aurelian an dem Florieren der stadtrömischen Verhältnisse gelegen war, zeigte sich auch bei seiner Aktion zur Stabilisierung
der Währung. Als er 274 den zu einer winzigen Kupfermünze mit ganz geringem Silbergehalt zusammengeschrumpften Antoninian
durch einen Typ von 4 g Gewicht und ca. 4,5% Silber ersetzte, gewährte er den Bewohnern Roms den Vorteil, ihre alten Münzen
gegen neue (mit dem Kennzeichen XXI im Abschnitt der Rückseite) umzutauschen (Zosim. 1, 61, 3). Freilich hatte sich die Verschlechterung
der Münzen in der Stadt Rom besonders unangenehm bemerkbar gemacht, weil die Münzstätte auf dem Caelius (bei San Clemente
in der Nähe des Kolosseums) dem Münzverfall sozusagen auf außerordentliche Weise nachgeholfen hatte. In die Affaire war der
oberste kaiserliche Finanzbeamte
( rationalis
) Felicissimus verwickelt, und auch Senatoren sollen mit der Sache zu tun gehabt haben, hinter der sich wahrscheinlich eine
Verschwörung |238| gegen Aurelian verbarg. Jedenfalls kam es 271 zu einem Aufstand der Münzarbeiter
( monetarii )
, den Aurelian mit erbarmungsloser Härte niederschlug; die Verantwortlichen ließ er hinrichten (Eutr. 9, 14). Die Münzstätte
wurde offenbar zerstört; sie mußte wiederaufgebaut werden. Die ‘Reformmünzen’ waren gewissermaßen die Gütezeichen der neuen
Moneta, zeigten sie doch auch wieder Silberglanz!
Aurelian krönte seine Maßnahmen zum Wohle der Hauptstadt des Reiches mit einem ähnlich spektakulären Schuldentilgungsakt,
wie ihn Hadrian einst (oben S. 125) vorgenommen hatte: Auf dem Forum Traiani wurden die staatlichen Schuldtafeln dem Feuer
übergeben und dadurch die privaten Schuldner des Fiskus und des Ärariums von ihren Zahlungsverpflichtungen befreit (Hist.
Aug. Aur. 39, 3). Der Schuldenerlaß Aurelians setzte zugleich ein Zeichen, daß die Staatsfinanzen sich in gutem Zustand befänden.
Aurelian verstärkte die erfreuliche Botschaft noch durch große Freigebigkeit gegenüber den Heiligtümern der Stadt. Alle Tempel,
so hieß es, seien in den Genuß seiner Geschenke gekommen. In einem Falle, vielleicht dem des Sol-Tempels, habe der Kaiser
15 000 Pfund Gold (fast 5 t) gestiftet (Hist. Aug. Aur. 41, 11). Insgesamt hatte man nach dem Tode Aurelians (275) den Eindruck,
daß er den Staat im Innern und nach außen wiederaufgerichtet habe. In diese Wertung schloß man die Leistungen seines Vorgängers
Claudius Gothicus mit ein (Hist. Aug. Aur. 41, 7). Beide Kaiser wurden zu Divi erhoben.
Als Aurelian im Herbst 275 auf dem Marsch nach Kleinasien (wohl gegen die Goten, Zonar. 12, 27) in der Nähe von Perinth einem
Anschlag zum Opfer fiel, den einer seiner Sekretäre (Eros) in Gang gesetzt hatte (Zosim. 1, 61, 1), kam es zu einer seltsamen
Kontaktierung von Heer und Senat um die Frage der Nachfolge. Aus dieser ging schließlich ein bereits im achten Lebensjahrzehnt
stehender Konsular, der
princeps senatus
M. Claudius Tacitus, als ein auch den Soldaten genehmer Kandidat des Senats hervor, war er doch bereit, sein gesamtes Barvermögen
auf ihre Besoldung zu verwenden. Um seine Herrscherqualitäten, d. h. zu dieser Zeit: seine Fähigkeiten als Feldherr zu beweisen,
mußte er 276 von Italien nach Kleinasien eilen. Goten vom Asowschen Meer (Maeotis) waren in Kleinasien eingefallen und bis
nach Kilikien gelangt. Tacitus erfocht einen Sieg gegen sie, wurde dann aber auf dem Rückmarsch nach Europa ermordet (Zosim.
1, 63, 1). Als Nachfolger erhoben die Soldaten des Ostheeres den
dux Orientis
Probus, und |239| zwar mit der bezeichnenden Begründung, „damit nicht wieder der Senat ihnen einen Princeps gäbe“ (Hist. Aug. Prob. 10, 3).
Der Senat hatte jetzt seine Rolle als staatsrechtliche Legitimierungsinstanz der Kaisererhebung ausgespielt. Carus, der 282
nach Probus’ Ermordung in Sirmium zu dessen Nachfolger erhoben wurde, unternahm nichts, um sein Kaisertum vom Senat in
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