Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Nicomedia Diocles, der Kommandeur des kaiserlichen Gardeoffizierskorps der
protectores domestici
, als Sieger hervor. Als Kaiser nannte er sich C. Aurelius Valerius Diocletianus.
Dem erfolgreichen Perserfeldzug von 283 folgten 285 verlustreiche Prätendentenkämpfe. Carinus mußte zunächst gegen den Usurpator
Iulianus zu Felde ziehen. Bei Verona kam es zur Schlacht, in der Carinus die Oberhand behielt; Iulianus fiel (Epit. de Caes.
38, 6). Dann zog er Diocletian entgegen. In Moesia superior am Margus (Morawa) trafen die beiden Heere in einer „gewaltigen
Schlacht“ aufeinander. Carinus hatte das stärkere Heer, aber es nutzte ihm nichts, denn er fiel im Kampf von Mörderhand (Eutr.
9, 20, 2). Diocletian konnte die Herrschaft uneingeschränkt und unangefochten in Besitz nehmen. Es war in gewisser Weise das
Erbe des Probus, das er antrat. Dieser wiederum hatte es von den beiden anderen illyrischen Kaisern, Claudius und Aurelianus,
übernommen. Mit ihnen bildete er ein Dreigestirn am römischen Götterhimmel, dem es auf Erden gelungen war, das krisengeschüttelte
Reich |243| auf den Weg der Gesundung zurückzuführen (vgl. oben S. 238 und Eutr. 8, 17, 3). Nun fiel einem weiteren Illyrer – Diocletian
stammte aus Dalmatien – die Aufgabe zu, ihr Werk fortzusetzen und zu vollenden.
|244| 8. DIE NEUORDNUNG DES STAATES DURCH DIE TETRARCHIE DIOCLETIANS
(284 – 305 n. Chr.)
Diocletian, dem nach der Schlacht an der Morawa und dem Tod des Carinus (285) die Gewalt über den Römischen Staat und das
Römische Reich (Eutr. 9, 20, 3:
rerum Romanarum
) zufiel, hatte die politische Bühne im Jahr zuvor (284) auf spektakuläre Weise betreten: Nach seiner Akklamation durch die
Soldaten in Nicomedia stieß er dem Prätorianerpräfekten Aper als dem Mörder seines Vorgängers Numerianus das Schwert in die
Brust (Aur. Vict. de Caes. 39, 13). Die Szene war von hohem Symbolwert: Als „Rächer Numerians“ (Hist. Aug. Num. 13, 1) erfüllte
Diocletian ein Legitimationskriterium, wie es Augustus als „Rächer Caesars“ (Hor. carm. 1, 2, 43) in die Prinzipatsideologie
eingebracht hatte. Zuletzt war dieses Vehikel von Septimius Severus als „Rächer des Pertinax“ (Hist. Aug. Sept. Sev. 5, 4)
benutzt worden (oben S. 174). Im Falle Diocletians kam beim Schwertstoß gegen Aper noch hinzu, daß ihm prophezeit worden war,
er werde das Kaisertum erlangen, wenn er einen Eber töte (Hist. Aug. Num. 14, 3); der Name „Aper“ bedeutete ja „Eber“. Wie
groß indes der Anteil der Prinzipatsideologie an Diocletians Tat war, ließ sich seinem Verhalten nach dem Ende des Carinus
entnehmen: Niemand wurde zur Strafe gezogen, jeder behielt sein Amt. „Neu“ und „gegen jegliche Erwartung“, so lauteten die
Kommentare zu diesem Gebaren (Aur. Vict. de Caes. 39, 4). Und Diocletian selbst gab die Erklärung ab, es sei die Milde
( clementia
) des Marcus Aurelius, der er nacheifere (Hist. Aug. Marc. Aur. 19, 12), d. h. dem Idealbild des staatsmännischen Wirkens
eines Princeps überhaupt. Schon bald erschien die Kardinaltugend geradezu als Signatur des Zeitalters auf Münzen: CLEMENTIA
TEMPorum (Rom. Imp. Coin. V 2, 246, Nr. 252 – 255)!
Der Mann um die 40, in dessen Händen nun das Schicksal des Römischen Reiches lag, erwies sich als „allen Anforderungen der
Zeit gewachsen“ (Hist. Aug. Num. 13, 1). Eine Probe wurde ihm schon 285 bei der Aufnahme seiner Regierungstätigkeit in Nicomedia
nach der Schlacht an der Morawa abverlangt. Denn in |245| Gallien waren infolge von Bedrückungen unter Carinus und gefördert durch den von diesem befohlenen Truppenabzug schwere Unruhen
unter der Landbevölkerung ausgebrochen. Bagauden nannten sich die Aufrührer, die, als Räuberbanden organisiert, das Land und
die Städte unsicher machten. Diocletian übertrug die Aufgabe, in Gallien wieder geordnete Verhältnisse herzustellen, einem
ca. fünf Jahre jüngeren Freund und Kriegsgefährten, dem aus Pannonien, also auch aus dem Illyricum stammenden Maximianus.
Aber er beließ es nicht bei einem ‘normalen’ Heereskommando, sondern ernannte Maximian zum Caesar und adoptierte ihn in seine
Familie. Aurelius Valerius Maximianus durfte dieser sich jetzt nennen. Der neue Caesar rechtfertigte die von Diocletian in
ihn gesetzten Erwartungen. Taktisch geschickt vorgehend, brachte er das Ungestüm der Bagauden zum Erliegen und fügte sie durch
milde Behandlung wieder in die Sozialordnung ein
Weitere Kostenlose Bücher