Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
dafür einen festen Zeitpunkt, nämlich
nach 10 Jahren als Caesares, ins Auge gefaßt hätte, entspräche sowohl seinem Naturell als auch den Gegebenheiten. Constantius
erhielt Gallien, Germanien und Britannien als Aufgabenbereich sowie Trier als Residenzstadt. In Maximians Hand blieben Italien,
Rätien, Spanien und Afrika; als Residenz wählte er Mailand. Galerius bekam die Donaufront zugewiesen mit Dalmatien, Makedonien
und Griechenland. Seine Residenz war Sirmium. Diocletian reservierte für sich selbst den gesamten Osten des Reiches und hatte
in Nicomedia seine Residenz. Obwohl die vier Kaiser an weit auseinanderliegenden Stellen des Reiches weilten |249| und handelten, bildeten sie doch eine Einheit. So stellen sie sich ja noch heute in der Porphyrgruppe an der Ecke der Südfront
von San Marco (Porta della Carta) in Venedig dar, wobei die gleichförmige Gestaltung aller vier Kaiser eben auch darauf hinweist,
daß jeder einzelne von ihnen das ganze Kaisertum repräsentierte.
Das Avancement bestimmter Städte zu Kaiserresidenzen hatte gewichtige Folgen für die Städte selbst, aber auch für ihr Umland.
Repräsentative Bauwerke entstanden, die kaiserliche Hofhaltung zog die kaiserliche Verwaltung nach sich, das Militär machte
sich breit, die Bevölkerung wuchs, die Versorgungslage nahm eine andere Größenordnung an, die Wirtschaft erhielt starke Impulse.
Am deutlichsten läßt sich diese Entwicklung in Trier nachvollziehen, wo mit Constantius 293 eine kaiserliche Münzstätte ihre
Prägetätigkeit aufnahm, wo der Kaiserpalast (unter dem Dom), die Palastaula (Basilica) und die Kaiserthermen entstanden, wo
Lagerhäuser (Horrea) errichtet und ältere Bauten (Amphitheater, Circus) renoviert wurden. Ein ähnliches Aufblühen läßt sich
für Maximians Residenz Mailand konstatieren (Palast, Hercules-Thermen, Circus, Horreum u. a.). Für Sirmium, wo Galerius Hof
hielt, genügt der Hinweis auf frühere Schreckenszeiten (oben S. 225), um zu ermessen, was es bedeutete, daß sich nun an gleicher
Stelle ein Kaiserpalast erhob (Epit. de Caes. 40, 10). In bezug auf Nicomedia stellte ein Zeitgenosse (Lactantius) fest, Diocletian
sei bestrebt, seine Residenz „Rom gleichzumachen“ (Lact. de mort. persec. 7, 10).
Mit der Tetrarchie kam überhaupt Bewegung in die Städtelandschaft. Betraf die Einrichtung von Kaiserresidenzen nur einige
wenige Städte, so hatte die wohl schon 293 beginnende Neuformierung der Provinzen eine regelrechte Breitenwirkung in bezug
auf die Städte. Denn sie führte zur Etablierung einer Vielzahl neuer Provinzmetropolen und den damit verbundenen strukturellen
Veränderungen. Das Prinzip, welches der diocletianischen Provinzreform zugrunde lag, war das der Verkleinerung aller als zu
groß empfundener Provinzgebilde, um die Effizienz ihrer Verwaltung zu erhöhen (Lact. de mort. persec. 7, 4). Aus den ca. 50
Provinzen, die es vor Diocletian gab, gingen durch die Neuordnung ca. 100 hervor, so daß an die 50 Städte zu neuen Provinzhauptstädten
aufstiegen. Darunter befanden sich z. B. in Gallien Vienna/Vienne und Vesontio/Besançon für die Provinzen Viennensis und Sequania,
in Spanien Carthago Nova/Cartagena und Bracara Augusta/Braga für die Provinzen Carthaginiensis und Gallaecia. In diesen und
weiteren Fällen wurden die Provinzen mit neuen Namen bedacht, in anderen |250| wurde die Teilung nur durch eine Ziffer markiert: Belgica I, Belgica II oder durch andere unterscheidende Bezeichnungen kenntlich
gemacht: Noricum ripense, Noricum mediterraneum. Hervorzuheben ist die Tatsache, daß auch Italien nun der Tributpflicht unterlag
(Aur. Vict. de Caes. 39, 31), d. h. Provinzialstatus erhielt. Einschließlich der Alpes Cottiae, die zu Italien zählten, gab
es 8 italische ‘Pro vinzen ’, bei denen es sich, abgesehen von den Alpes Cottiae, jeweils um die Koppelung zweier älterer Regionen handelte. Dadurch
erlangten auch einige bisher wenig hervorgetretene Städte den Rang von Verwaltungszentren, z. B. Florentia/Florenz für Tuscia
et Umbria, Salernum/Salerno für Lucania et Bruttii. Die Stadt Rom blieb allerdings von dieser Einteilung ausgeschlossen, behauptete
also ihren administrativen Sonderstatus.
Die Provinzteilung war ein Vorgang, der längere Zeit in Anspruch nahm und mit Diocletians Regierungsende (305) noch nicht
abgeschlossen war. Von einem bestimmten Zeitpunkt ab war er mit dem Trend verbunden, für die zahlreicher gewordenen
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