Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
die elementaren Lebensbedingungen der Soldaten rührte: Sie durften keine rechtmäßige Ehe führen;
zeugten sie Kinder, so konnten diese ihre leiblichen Väter nicht ab intestato beerben. Hadrian erkannte, daß er in diesem
Falle die
disciplina militaris
„humaner auslegen“ müsse. So verfügte er im Jahre 119, daß die Soldatenkinder als Blutsverwandte die
bonorum possessio
an der Hinterlassenschaft ihrer Väter erlangen sollten (Font. iur. Rom. anteiust. I 78).
Hadrians Politik der Friedenssicherung durch Kampfbereitschaft beruhte auf dem strategischen Konzept, die Legionen der Grenzprovinzen
durch Rekrutierung aus diesen und durch Verwurzelung an ihrem Standort so eng mit der betreffenden Region zu verbinden, daß
sich diese Verklammerung auf die physische und mentale Schlagkraft der Truppen auswirkte. Dadurch, daß die eigentliche Grenzüberwachung
von
auxilia
sowie mehr und mehr von
numeri
(kleinen nationalen Einheiten) ausgeübt wurde, erhielten die Legionen den Charakter einer strategischen Reserve.
Auf seinen Reisen war Hadrian bestrebt, möglichst allen Legionen seine Verbundenheit mit ihnen persönlich zu bekunden. Darüber
hinaus legte er größten Wert darauf, daß die Provinzen, welche er besuchte – es waren ebenfalls fast alle –, diesen Besuch
in rechtem Licht sahen: Wie seine Münzen bezeugen, wollte er insbesondere als „Erneuerer“
( restitutor
) der Provinzen gelten: Das bedeutete aufs Ganze gesehen, daß es sein Ziel war, die Provinzen stärker ins Reich zu integrieren.
Im einzelnen verfuhr er dabei den Gegebenheiten entsprechend. In Afrika z. B. hielt er es für an der Zeit, |159| den Nordosten der Proconsularis, den Augustus in großem Maße mit Kolonien und Munizipien durchsetzt hatte (oben S. 20f.),
in bezug auf die Städtelandschaft noch mehr zu romanisieren. Das geschah durch Erhebung von Munizipien zu Kolonien (Utica,
Zama, Bulla Regia), durch Erweiterung der Bürgerschaft einer Kolonie (Uthina) oder durch Verleihung des Munizipalstatus an
peregrine Städte (Althiburus, Thuburbo Maius). Hadrian verfolgte hierbei eindeutig politisch-kulturelle Ziele, während Trajans
Gründungen im numidischen Teil der Proconsularis: Thamugadi/Timgad (Kolonie) und Diana Veteranorum (Munizipium) aus militärischen
Rücksichten erfolgt waren, nämlich als Begleitmaßnahmen der Legionsverlegung von Theveste nach Lambaesis zu Anfang der Regierung
Trajans (vgl. oben S. 114).
Die Aufmerksamkeit, welche Hadrian offenkundig dem Nordosten der Proconsularis schenkte, hatte außer der Romanisierungsabsicht
noch einen weiteren Grund: Hier, insbesondere am mittleren Bagrada/Medjerda, gab es große kaiserliche Ländereien
( sal tus
), die Hadrian als Mustergüter betrachtete. Sie wurden nach einem Domanialstatut bewirtschaftet, das den Pächtern
( coloni
) exakt die Abgaben und Dienste vorschrieb, welche sie dem Großpächter
( conductor
) schuldeten, der seinerseits die Ablieferungen
( partes
) an den für das Gut zuständigen Prokurator des Kaisers weiterleitete. Diese
lex Manciana
enthielt auch genaue Vorschriften über Vergünstigungen bei Neupflanzung von Weinstöcken, Oliven- und Feigenbäumen. Hadrian
intensivierte die hier betriebene Gutswirtschaft, indem er den Kolonen die Möglichkeit eröffnete, ungerodetes oder seit zehn
Jahren nicht mehr bestelltes Land für Öl-, Wein- und Getreidebau in Benutzung zu nehmen. Gegen die übliche Abgabe erhielten
sie das Besitz- und Vererbungsrecht an dem Boden
( lex Hadriana
). Inschriftenfunde aus Afrika haben das für die Güter am Bagrada geltende Wirtschaftssystem ans Licht gebracht (Font. iur.
Rom. anteiust. I 100 – 103; verbesserte Lesung: D. Flach, Chiron 8, 1978, 477 – 492).
Gegenüber dem
Restitutor Africae
trug der
Restitutor Achaeae
ganz andere Züge. Hadrian sah in Griechenland seine Aufgabe vor allem darin, Athen als Zentrum der griechischen Kultur zu
fördern und der Stadt ihre politische Bedeutung womöglich zurückzugeben. Diesem Zweck diente die Neugründung Athens als Hadriansstadt
im Gebiet östlich der Akropolis. An dem Haupttor, dem sogenannte Hadriansbogen, trennen Inschriften noch heute die alte Stadt
des Theseus von der neuen Hadrians (Inscr. Graec. III 401 + 402). Die |160| politische Regeneration Athens aber wollte Hadrian durch Gründung eines „Allgemeinen Hellenenbundes“ (Panhellenion) erreichen.
Dem Synhedrion, das jährlich in Athen zusammentrat, gehörten nicht nur die
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