Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
S. 203).
Überschattet wurde der Kriegszug, den Trajan 116 von Nisibis |155| aus über den Tigris in die Landschaft Adiabene (Assyria) und dann tigrisabwärts nach Babylonien unternahm, von den großen
Unruhen, welche die Juden in Cyrene, Ägypten, Judäa und auf Cypern erregten. Sie wüteten gegen ihre Umwelt und gegen alles,
was mit Rom zu tun hatte. Ein ungeheurer, religiös genährter Fanatismus brach sich Bahn. Entsprechend exorbitant war die Zahl
der von den Juden Massakrierten. 220 000 sollen es in Cyrene, 240 000 auf Cypern gewesen sein (Cass. Dio 68, 32, 1 – 3). Der Aufstand erfaßte schließlich auch die Juden im Zweistromland und verband sich hier mit einer allgemeinen Abfallbewegung
von der aufgezwungenen römischen Herrschaft.
Trajan hatte die beiden am Tigris gegenüberliegenden Großstädte Seleucia und Ctesiphon eingenommen und war bis an die Tigrismündung
vorgedrungen. Hier, am Indischen Ozean, wurde die Erinnerung an Alexander den Großen ebenso wach wie in Babylon, wo Trajan
auf dem Rückmarsch haltmachte. Inzwischen war das ganze Ausmaß der Aufstandsbewegung in den besetzten Gebieten sowie des jüdischen
Terrors in den oben genannten Provinzen offenbar geworden. Trajan muß darüber so aufgebracht gewesen sein, daß er Maßnahmen
zur erbarmungslosen Repression traf. Auf die Zentren des Widerstandes in Mesopotamien wurden Heeresabteilungen angesetzt mit
dem Befehl Exempel zu statuieren. So gingen Seleucia am Tigris und Edessa in Osrhoene in Flammen auf. Auch Nisibis mußte zurückerobert
werden (Cass. Dio 68, 30, 2). Die beiden letzteren Städte gehörten zum Einsatzgebiet des Lusius Quietus, der mit besonderer
Brutalität gegen die Juden vorging. Es war deshalb ein unheilvolles Vorzeichen, daß Trajan ihn anschließend als Statthalter
nach Judäa schickte. Mit der Niederschlagung des Aufstands in Ägypten und Cyrene wurde Q. Marcius Turbo betraut. Überall wurden
nun die Juden zu Zehntausenden umgebracht oder vertrieben (Euseb. hist. eccl. 4, 2, 3 – 5). Auf Cypern gab es nach 117 keinen einzigen mehr von ihnen (Cass. Dio 68, 32, 3).
Die römischen Strafexpeditionen in Mesopotamien waren keineswegs alle erfolgreich. Eine Heeresabteilung unter Appius Maximus
Santra wurde von den Parthern, deren Streitkräfte bisher kaum in Erscheinung getreten waren, aufgerieben. Desto mehr suchte
Trajan den Eindruck zu erwecken, daß er Herr der Lage sei. Zu diesem Zweck setzte er Parthamaspates, einen ihm geeignet erscheinenden
parthischen Prinzen, in Ctesiphon als Partherkönig ein, nicht ohne vor versammeltem Heer seine eigenen bisher vollbrachten
Taten gebührend herauszustreichen. Auf dem Rückmarsch |156| nach Norden wollte er die berühmte Karawanenstadt Hatra (ca. 50 km westl. von Assur) im Handstreich nehmen, scheiterte aber
an deren festen Mauern und wäre fast von einem Geschoß getroffen worden. Nach Syrien gelangt, erlitt er einen Schlaganfall,
der Lähmungserscheinungen zur Folge hatte. Auf der Fahrt nach Rom entlang der kilikischen Küste starb er um den 8. August
117 in Selinus (zwischen Anamur und Alanya/Türkei), fortan Traianopolis genannt.
Der Oberbefehl im Osten lag nun in den Händen Hadrians, der von Trajan zum Statthalter Syriens eingesetzt worden war. Nach
der mysteriösen Adoption in Selinus (vgl. oben S. 120) wurde er am 11. August 117 in Antiochia zum Imperator ausgerufen. In
dem von dort aus mit dem Senat geführten Briefwechsel bestand Hadrian darauf, daß der Trajan zustehende Triumph über die Parther
posthum durchgeführt würde (Oktober 117). Die Münzen hatten schon vorher die Eroberungen Trajans mit der Legende PARTHIA CAPTA
gefeiert (Rom. Imp. Coin. II 267, Nr. 324) und auch die Einsetzung eines Partherkönigs von Roms Gnaden verkündet (ebd. 291,
Nr. 667). Es muß daher von der römischen Öffentlichkeit wie ein Keulenschlag empfunden worden sein, daß Hadrian jetzt daranging,
die Eroberungen Trajans im Osten aufzugeben, und zwar mit der simplen Begründung, sie ließen sich nicht verteidigen (Hist.
Aug. Hadr. 5, 3). Besonders die Militärs mußten sich vor den Kopf gestoßen fühlen, die, wie Lusius Quietus, für den Gewinn
Mesopotamiens ihr Leben eingesetzt hatten und die Möglichkeiten zur Verbesserung der Grenzverteidigung, etwa bei Singara (oben
S. 154), aus eigener Anschauung kannten. Ihre Opposition führte indes zu ihrem Untergang. Lusius Quietus sowie drei andere
Konsulare
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