Die kalte Legende
in Armenien beschloss, sein wachsendes Imperium durch eigene Banken zu unterstützen, wandte er sich an seinen Neffen. Samat quittierte seinen Dienst beim KGB und eröffnete für Tsvetan Ugor-Shilow die erste Bank in Eriwan. Und Samat, der im Kontenfrisieren und im Verwischen von Devisenspuren den Ruf eines Genies besaß, schuf das Geldwäschesystem, durch das Zigmillionen Dollar ins Ausland geschleust wurden. Die Holdingfirmen des Oligarchen sind angeblich an einem spanischen Versicherungsunternehmen, einer französischen Hotelkette, einem Schweizer Immobilienkonsortium und einer deutschen Kinokette beteiligt. Dank Samats Geschick waren die Verbindungen zwischen diesen Konten nicht nachweisbar – und unsere Experten haben wahrhaftig alles versucht. Eure CIA übrigens auch. Samats undurchdringliches Labyrinth von Banken erstreckt sich von Frankreich über Deutschland, Monaco, Liechtenstein und die Schweiz bis zu den Bahamas und den Caymaninseln, ganz zu schweigen von Vanuatu im Südpazifik, der Isle of Man, den British Virgin Islands, Panama, Prag, West-Samoa – sie alle stehen im Verdacht, die beträchtlichen Reichtümer des Oligarchen zu waschen. Schließlich eröffnete er Bankkonten in Nordamerika, wo ein Drittel seines Aluminiums vermarktet wurde. Es gab Scheinfirmen innerhalb von Scheinfirmen innerhalb von Scheinfirmen. Von seiner Datscha aus, die in einem Dorf eine halbe Stunde von Moskau an der Straße zwischen Moskau und St. Petersburg liegt, hat Samat das Kapital unentwegt von einer Scheinfirma zur nächsten verschoben. Telegraphische Überweisungen zwischen Banken, von denen einige gerade mal aus einem einzigen Raum mit Computer auf irgendeiner entlegenen Insel bestehen, sind die leichteste Methode, um gewaltige Geldsummen zu bewegen – ein Milliarde Dollar in Hundertern wiegt um die elf Tonnen. Und es hieß, dass der Banker des Oligarchen nie irgendwas zu Papier brachte. Das gesamte System der Off-Shore-Holdinggesellschaften seines Onkels befand sich in seinem Kopf.«
»Und deshalb musste er dringend aus Russland verschwinden, als die Situation zwischen den Mafiabanden zu heiß wurde«, vermutete Martin.
»Richtig. Dass Samat auch zu seinem zweiten Onkel Akim engen Kontakt hatte, kriegten wir erst spitz, als eins unserer Überwachungsteams filmte, wie Akim aus seiner Villa in Caesarea kam und Samat umarmte, der aus seinem Honda stieg. Daraufhin haben wir diesen neuen Einwanderer, der sein Haus in Qiryat Arba mit Bargeld gekauft hatte, mal genauer unter die Lupe genommen.«
Benny bot Martin an, sein Glas aufzufüllen, und als sein Besucher den Kopf schüttelte, goss er sich selbst einen kleinen Whiskey ein und leerte ihn in einem Zug. Er machte fast den Eindruck, als wäre er erschöpft vom Erzählen der Geschichte.
Martin sagte: »Samats Frau hat erwähnt, er hätte sie mal in Caesarea am Strand abgesetzt, um sich dann irgendwo in der Nähe mit jemandem zu treffen. Jetzt weiß ich auch, mit wem.«
Das Abendessen, das Benny servierte, bestand aus den Resten einer Vorspeisenplatte, die er sich nach dem Besuch eines arabischen Restaurants in Abu Gosh hatte einpacken lassen, und einer Flasche Rotwein von den Golanhöhen. Martin, der kein Fleisch aß, begnügte sich mit den Gemüsehappen. Später holte Benny eine Flasche fünfzehn Jahre alten Cognac und schenkte ihnen vorsichtig ein wenig davon ein. »Bei meiner Pensionierung im letzten Jahr hat meine Abteilung eine Party veranstaltet«, erklärte er. »Der Cognac ist eins von den Abschiedsgeschenken, neben dem Orden für lange und treue Dienste.«
»Wie viele Jahre?«
»Zweiundvierzig.«
»Hätte Israel ohne den Mossad überleben können?«, fragte Martin.
»Natürlich. Wir haben genauso viel falsch gemacht wie richtig. Dreiundsiebzig zum Beispiel haben wir ganz schön Mist gebaut – wir haben Golda Meir gesagt, die Ägypter wären noch mindestens zehn Jahre nicht in der Lage, einen Krieg zu führen. Ein paar Wochen später haben sie den Suezkanal überquert und sind über unsere Bar-Lev-Festungen auf der israelischen Seite der Wasserstraße hergefallen.«
»Was war schief gelaufen?«, fragte Martin.
»Ich würde sagen, das Gleiche, was auch Mitte und Ende der Achtziger schief gelaufen ist, als eure CIA den Zusammenbruch des Sowjetreiches und den Untergang des kommunistischen Systems nicht vorhergesehen hat. Von außen betrachtet, und das ist ja jetzt meine Perspektive, sehe ich glasklar, dass die Geheimdienste einen fatalen Makel haben. Sie
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