Die kalte Nacht des Hasses
geht.«
»Wahrscheinlich würde die Nachtcreme besser funktionieren, dann wacht sie am nächsten Morgen auf, sieht in den Spiegel – und peng! Hässliche Sissy!«
Sie johlten alle vor Lachen, und die Ältere nahm das Cremedöschen und steckte es in die Tasche. Sie konnte richtig spüren, wie die Macht sich in ihr ausbreitete, und es war toll, ganz, ganz toll, und sie konnte gar nicht abwarten, bis der Tag kam, an dem sie sehen dürfte, wie hässlich Sissy aussah, wenn sich ihre Haut abschälte.
Sie sagte: »Ich nehme diese Aufgabe an und werde die grausame Prinzessin entstellen, und unsere liebenswerte Prinzessin Leia wird die Krone tragen.«
Die kleinen Schwestern des Jungen hüpften vor lauter Aufregung auf und ab, und der Junge und die Ältere lächelten einander an, denn diesmal würde es Sissy richtig erwischen und sie würden zuschauen können.
Die Aufgabe ließ sich wie geplant und ohne Probleme durchführen. Die Ältere mischte am Tag vor dem Wettbewerb insgeheim ein wenig der Arznei in Sissys Oil of Olaz, und dann benahm sie sich Sissy und Mama gegenüber so süß, so kooperativ, so unterwürfig, dass niemand auch nur den Verdacht hegen könnte, dass sie dabei war, Sissy so etwas Schreckliches anzutun. Es war perfekt. Der Junge war perfekt, der beste Freund, den die Ältere je gehabt hatte. Er würde den Rest ihres Lebens ihr bester Freund sein. Sie würde alles für ihn tun, alles, was er wollte. Zum ersten Mal im Leben war sie sogar tief in ihrem Innersten glücklich.
Sie erwachte früh und schlich durchs Zimmer, um das Ergebnis ihrer Mission zu begutachten. Sie starrte auf Sissy herunter, und zuerst war sie erschrocken über die roten Flecken, an denen sich die Porzellanhaut ihrer kleinen Schwester abschälte. Einen Augenblick lang schämte sie sich dafür, was sie getan hatte, aber dann erinnerte sie sich an all die Lügen, die Sissy über sie erzählt hatte, all die Schläge, die sie ihr eingetragen hatte, und das Schuldgefühl verflog schnell. Sie stieg zurück ins Bett, zog die Decke hoch und wartete beruhigt auf den Beginn des Feuerwerks.
Es dauerte nicht lange. Mama kam früh, gegen sieben, um Sissy zu wecken, damit sie sie waschen und ihr Haar aufdrehen konnte. Diesmal war Mama diejenige, die einen schrillen Horrorschrei ausstieß, laut genug, um jedem die Trommelfelle platzen zu lassen. Die Ältere setzte sich im Bett auf und tat, als sei sie noch halb im Schlaf, während sie murmelte, was denn los sei. Jetzt, seit sie das Spiel spielte, wurde sie eine immer bessere Schauspielerin. Der Junge und die Zwillinge wären stolz auf sie gewesen. Wenn sie nur sehen könnten, wie unschuldig sie schaute!
Mama heulte und schrie nach dem Stiefvater, und der donnerte die Treppen hoch und rannte ins Zimmer. Er blieb abrupt neben dem Bett stehen und sagte ungläubig: »O mein Gott, was ist denn mit ihrem Gesicht passiert?«
Die Ältere fragte immer wieder: »Was ist los? Was ist denn los?«, bis Mama sich ihr zuwandte und sie anblaffte: »Halt den Mund. Sissy ist krank.«
Sie ließen Bubby in der Obhut der Älteren zurück und brachten Sissy in die Notaufnahme. Währenddessen tauschte die Ältere das Fläschchen Oil of Olaz im Badezimmer gegen ein neues aus, das der Junge bei Wal-Mart gekauft hatte. Sie entnahm genauso viel, wie in dem anderen gefehlt hatte, dann trug sie das vergiftete Fläschchen nach draußen hinter die Scheune und vergrub es in einem zwanzig Zentimeter tiefen Loch. Der Junge und seine Schwestern warteten dort auf sie und sie berichtete ihnen aufgeregt, dass die Mission ein voller Erfolg gewesen war.
»Eine neue Prinzessin wird gekrönt werden«, verkündete sie und umarmte das strahlende kleine Mädchen.
Als Mama und Sissy aus dem Krankenhaus zurückkehrten, weinte sich Sissy die Augen aus, weil sie so schrecklich aussah. Die Ältere runzelte die Stirn und schaute mitfühlend, als Sissy sich beschwerte, dass es brannte und sehr wehtat. Der Arzt wusste auch nicht, was daran schuld war, dachte aber, es wäre vielleicht eine allergische Reaktion auf etwas, das sie gegessen oder im Gesicht aufgetragen hatte, und Mama sammelte alle Kosmetika und Gesichtscremes ein und steckte sie in eine Tüte, um sie analysieren zu lassen. Die Ältere lachte sich innerlich tot und war überglücklich. Mama war doch nicht so klug, bei weitem nicht so klug wie der Junge. Es gab keine Grenzen dessen, was sie Sissy und Mama in der Zukunft antun könnten. O ja, die Zukunft war herrlich.
Und dann geschah
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