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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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schattige Tal neben ihrem Schlüsselbein und verweilte auf ihrer Schulter.
    »Ich fühl mich nicht mehr wohl allein in dem großen Ehebett. Vielleicht setz ich es bei Ebay rein. Besorg mir was Passendes für eine Single-Frau.« Sie lächelte verschmitzt. »Oder könntest du dir vorstellen, die leere Hälfte wieder mit deinem knackigen Körper zu füllen?« Sie fuhr mit dem Finger über seinen Bizeps, den Unterarm entlang, nahm seine Hand und legte sie auf ihre Taille.
    Zagrosek wusste, dass er schnell reagieren musste. Wenn er zögerte, endeten sie im Streit. Aber er konnte nicht spontan antworten. Er dachte an die letzte Trennung. Es war schon zu oft schief gegangen.
    Vera setzte sich auf und schlang die Arme um ihre Knie. Zagrosek streichelte ihren Rücken.
    Es war zu spät. Vera hatte verstanden.
     
    Vera war gegangen, gar nicht zickig wie früher, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf ging, eher nachdenklich. Zagrosek hatte lange reglos auf dem Bett gelegen. Er wollte sie und gleichzeitig fürchtete er sich. Das machte ihn wahnsinnig. Er wollte Vera nicht verletzen. Aber durch sein Schweigen verletzte er sie noch mehr. Er würde Vera verlieren, so oder so. Er konnte sich nur falsch verhalten.
    Zagrosek hielt es zuhause nicht mehr aus. Er zog sich an und lief die Tussmannstraße entlang. Der Wind wehte ihm nasskalte Flocken entgegen, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie Schnee oder Regen sein wollten. Seine Lederjacke saugte sie auf.
    Hinter den Häusern auf der Bahnstrecke zuckelte ein Güterzug vorbei. Zagrosek lief, ohne über ein Ziel nachzudenken. Die Bewegung tat ihm gut. Das Viertel war wie ausgestorben, kein Wunder bei dem Schweinewetter. Die Currywurstbude in der Moltkestraße hatte noch offen. Zagroseks Magen meldete sich. Hatte er heute eigentlich schon was gegessen? Er holte sich eine Wurst, aß sie, ohne sie wirklich zu schmecken. Danach lief er weiter, fand sich in der Prinz-Georg-Straße wieder, ging am Kanal entlang bis zur Vagedesstraße. Er blieb einen Moment stehen und sah den vorbei rauschenden Autos nach. Ihm war kalt. Seine Jacke hing nass und schwer auf seinen Schultern. Plötzlich hatte er das Bedürfnis, unter Menschen zu sein. Die Duisburger Straße führte ihn in die belebten Gegenden von Pempelfort. Hier lagen viele Geschäfte, in den Pfützen auf dem Bürgersteig spiegelte sich das Licht der Schaufenster. Zagrosek wollte den Spaziergang nicht zu lang werden lassen und bog nach rechts in eine Seitenstraße ab. Er blieb an einem kleinen Platz stehen. Nur wenige hundert Meter entfernt, in der Goebenstraße, wohnte Kleinschmidt. Zagrosek sah auf die Uhr. Viertel vor Zehn. Kein Mensch klingelte unangemeldet um diese Zeit bei Bekannten. Aber Werner und Dagmar waren . . . Freunde.
    Er stand nun vor Kleinschmidts Haus. Im dritten Stock waren Vorhänge zugezogen, dahinter brannte Licht. Kleinschmidt war zuhause. Und zum Glück war er nicht allein. Er hatte eine Frau, die zu ihm hielt. Dagmar würde erschrecken, wenn es so spät an der Tür läutete. Und Zagrosek kam auch allein zurecht. Er würde im ‚Florian’, in Kleinschmidts und seiner Stammkneipe, noch ein oder zwei Bierchen trinken. Und dann würde es ihm besser gehen. Das Klingelschild leuchtete in der Dunkelheit. Er drückte den Knopf.
    Vielleicht machten sie ja gar nicht auf.
    »Ja?« Kleinschmidts Stimme drang knarzig aus der Sprechanlage.
    »Hier ist Tom. Entschuldige die späte Störung.«
    »Quatsch. Komm rauf.« Der Türöffner summte schon.
    Aus Kleinschmidts Wohnung schlug Zagrosek stickige Wärme entgegen.
    »Gib mir deine Jacke.« Kleinschmidt trug einen Trainingsanzug. Den Reißverschluss des Oberteils hatte er offen gelassen. Ein Feinrippunterhemd spannte über seinem Bauch.
    »Ich musste mal an die Luft«, begann Zagrosek, während Kleinschmidt ihn ins Wohnzimmer schob. Dagmar saß auf dem Sofa. »Tom! Was für eine nette Überraschung.«
    »Ja, er lief da draußen rum bei dem Sauwetter. War doch eine gute Idee, bei uns reinzuschauen. Ein Bierchen?«
    »Warum nicht.«
    Zagrosek bereute die Stippvisite. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber er spürte eine Spannung im Zimmer, die sich nun in aufgekratzter Begeisterung über seinen Besuch entlud.
    Dagmar klopfte mit der Hand neben sich auf ein Kissen. »Setz dich. Wie geht es dir?«
    Zagrosek massierte seine Schläfen. »Gut, ich bin nur müde. Wir haben einen neuen Fall, und die letzte Nacht war kurz.« Er wandte den Kopf zur Küche, in der sie Kleinschmidt

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