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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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nach ihr sehen, sie unterstützen müssen. Aber Konrad wollte nicht mehr nach Borshomi. Er hat sich alles sehr einfach gemacht. Deshalb – und weil ich sehr betrunken war – habe ich ihm gesagt, dass er ein Schwein ist.«
     
    Zagrosek kam in seine ausgekühlte Wohnung und stellte die Heizung an. Es kostete Überwindung, sich auszuziehen, aber er wollte duschen, bevor Vera kam. Es war merkwürdig. Früher hatte sie ihn nie in seinem ‚Loch’, wie sie es nannte, besuchen wollen. Die Klamotten warf er auf den Berg mit schmutziger Wäsche hinter der Tür im Bad. Unmöglich sah es hier aus. Nach kurzer Überlegung packte er den gesamten Haufen und stopfte ihn in seinen Kleiderschrank.
    Er duschte sehr heiß und sehr lange, dann holte er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich, nur mit einem Handtuch um die Hüften und noch dampfend, auf sein Sofa fallen. Im Wohnhaus gegenüber brannte in allen Etagen Licht. Ob jemand zu ihm herüber sah? Und sich daran störte, dass er hier nackt herum gammelte? Er zog nie die Vorhänge zu. Manchmal sah er den abendlichen Familienszenen in den Wohnungen zu. Frauen räumten den Abendbrottisch ab, Kinder liefen im Schlafanzug hin und her und Männer schalteten den Fernseher ein.
    Auf einmal wurde ihm kalt. Er zog sich ein T-Shirt, Boxershorts und Hose über. Noch ein Winter in dieser möblierten Bude zwischen osteuropäischen Saisonkräften und Bauarbeitern. Im neuen Jahr würde er sich aufraffen und eine richtige Wohnung suchen. Wie oft hatte er sich das schon vorgenommen? Und wieder nichts gemacht. Weil nie Zeit dafür war. Doch nun stand schon wieder Weihnachten vor der Tür, und das Provisorium war zur Dauereinrichtung geworden, ohne dass er es gemerkt hatte.
    Auf dem Fernsehschirm in der Wohnung gegenüber erschien das Startbild der Tagesschau. Zeitgleich klingelte Vera.
    Zagrosek erwartete sie, in den Türrahmen gelehnt. Seit Vera als Apothekerin selbstständig war, hatte sie ihr Aussehen verändert. Sie trug nun strenge, klassisch geschnittene Businesskostüme oder schwarze Stoffhosen und weiße Blusen mit steifen Krägen. Zagroseks Lieblingskleid, das samtig schimmernde Grüne, das toll zu ihrem rotbraunen Haar passte und ihr Dekolletee so schön zur Geltung brachte, gefiel ihr nicht mehr.
    Sie stellte ihre kofferartige Handtasche auf den Boden und ließ sich von Zagrosek umarmen. Sie war nicht sauer über sein plötzliches Verschwinden von ihrer Geburtstagsfeier.
    »Komm rein.« Zagrosek schloss die Tür und folgte Vera ins Zimmer.
    Vera mochte romantisches Licht, aber eine Kerze hatte er nicht da. Er dimmte den Deckenfluter, so weit es ging. Vera setzte sich auf sein Schlafsofa. Er hatte es noch nicht zum Bett umgebaut, Vera sollte sehen, dass er auch bereit war, Small Talk zu machen. Aber die Vorhänge zog er sicherheitshalber zu.
    »Wein?«
    »Gern. Gibt es was zum Anstoßen?«
    »Nichts, leider.« Zagrosek trat an die Küchenzeile und setzte den Korkenzieher auf die Flasche. Es lag ihm schon auf den Lippen, Vera von Wiebke Blessings Beförderung zu erzählen, doch dann hatte er keine Lust dazu. Es war ein alter Reflex, sich vor Vera für seinen mangelnden Karrierewillen zu rechtfertigen. Sollte sie heute Abend ruhig noch denken, er sei im Rennen.
    Vera streifte im Flur ihre halbhohen Stiefeletten von den Füßen. »Was denkst du, wer es wird? Hans Nellessen?«, rief sie.
    »Zumindest glaubt er selbst fest daran.«
    Sie kam ins Zimmer. »Tja, Hans meint immer, er muss nur mit den Fingern schnippen und schon kriegt er, was er will.«
    Zagrosek brach den Korken ab. Das waren ja ganz neue Töne bei Vera. Bis vor kurzem war sie von Hans Nellessens glänzenden Aufstiegschancen überzeugt gewesen.
    Vera schmiegte sich von hinten an Zagrosek, während er versuchte, den Rest Kork herauszuziehen, ohne dass Bröckchen in den Rotwein fielen.
    Vera steckte die Hände unter sein T-Shirt und umfasste seine Taille, streichelte seinen Bauch empor und ertastete seine Brustwarzen, rieb sie sanft, dann fester.
    Zagrosek ließ die Flasche los und drehte sich um. Sie versanken in einem langen Kuss, bei dem er ihre Kostümjacke aufknöpfte und von ihren Schultern streifte. Sie trug einen Büstenhalter aus cremefarbener Spitze. Zagrosek schob Vera zum Sofa.
    Als sie später erhitzt und eng umschlungen dalagen, sagte Vera: »Ich wollte dich etwas fragen.« Sie richtete sich auf und nippte an ihrem Wein.
    »Hmm?« Zagroseks Blick wanderte Veras Halslinie entlang, tauchte in das kleine

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