Die Kalte Zeit
Ich hab gemerkt, dass da was läuft. Aber nicht mit mir.« Er kam hoch auf die Knie. Jetzt aufstehen und Schäffer die Abreibung geben, die er verdient.
»Gesa liebt Sie nicht mehr«, sagte Schäffer mit müder Stimme. »Sie wissen es längst. Aber Sie brauchen sich deswegen keine Sorgen zu machen. Sie wird Sie nicht verlassen. Sie hat den Mumm nicht dazu.«
Wolf behielt Schäffer im Blick. Er würde den Kerl umbringen.
»Alles bleibt wie es ist«, flüsterte Schäffer. »Verstehen Sie? Alles bleibt wie es ist. Ist das nicht schrecklich?«
Wolf hielt in der Bewegung inne. Schäffer machte ihn ganz kirre. Diese verzweifelte, flüsternde Stimme. Wolfs Wut schwand, er fühlte sich ganz verloren, so als blicke er in einen dunklen Abgrund. Er verkrampfte die Hände zu Fäusten. »Ich werd dir zeigen, was schrecklich ist!«
»Sie sind wütend. Wie ein Kind, dem jemand was wegnehmen will. Aber später werden Sie kapieren, dass ich nur eine Randfigur bin. Ich spiele gar keine Rolle. Ich habe mein eigenes Leben, das ich gerade verpfusche. Und Sie haben Ihres. Ihre Ehe, Ihre Familie. Wenn Ihre Wut verraucht ist, werden Sie verstehen, was ich meine.«
»Ein arrogantes Arschloch bist du, nichts weiter«, schrie Wolf.
»Arrogant? Ja, vielleicht.« Schäffer sog an der Zigarette. »Was wissen Sie über Gesa? Wissen Sie, was sie fühlt? Sie zerstören ihre Zukunftsträume, Sie denken nur an sich und Ihre Pläne, Sie reden nicht mit Ihr. Sie nehmen Sie nicht ernst.«
»Ach, halt doch die Klappe!«
»Wussten Sie, dass Ihr Schwiegervater todkrank war? Er hatte noch ein paar Monate zu leben, vielleicht nur Wochen. Haben Sie davon was gemerkt?«
»So ein Quatsch! Mir reicht es jetzt!« Wolf stürzte auf Lars zu, er packte ihn und schleuderte ihn von dem Heuballen. Schäffer lag am Boden. Wolf beugte sich über ihn und hob die Faust.
»Papa?«, rief eine Kinderstimme. Felix’ Kopf erschien oberhalb der Luke. »Papa, bist du das?« Der grelle Schein einer Taschenlampe traf Wolfs Gesicht.
Wolf richtete sich auf. Schäffer kam blitzschnell auf die Knie und suchte sofort nach der Kippe, die ihm bei Wolfs Angriff heruntergefallen. Sie glimmte im Heu vor sich hin. Er benetzte die Finger mit Spucke und löschte die Glut aus.
»Felix. Alles in Ordnung«, sagte Wolf.
»Was machst du? Habt ihr Streit?« Felix beleuchtete abwechselnd Schäffer und Wolf.
»Wir haben auch was gehört und haben hier oben nach dem Rechten gesehen. Es war aber nur eine Katze«, sagte Schäffer. Seine Stimme klang ruhig und Vertrauen erweckend.
»Aber wieso hast du geschrieen, Papa?«
»Dein Papa war wütend, weil ich hier oben geraucht habe. Du weißt doch, dass man im Heu nicht rauchen darf?«
Wolf musste lachen. Schrill und hysterisch. Er konnte gar nicht mehr aufhören.
»Papa?«
»Hör mal auf, ihm ins Gesicht zu leuchten.« Schäffer trat zu Felix. »Mann, das ist ja eine riesige Taschenlampe. Ist das deine?«
»Nein, die ist von Papa.« Felix hielt den Lichtstrahl auf den Boden gerichtet.
Wolfs Lachen erstarb.
»Tolles Ding. Darf ich mal sehen?« Schäffer streckte die Hand aus.
»Gib sie ihm nicht!«, sagte Wolf. Felix hielt die Lampe fest.
»Das ist gar nicht meine, wie kommst du nur darauf«, sagte Wolf. »Meine hab ich mal in der Kultur liegen lassen, und als ich sie holen wollte, war sie weg. Hat Beine gekriegt.«
»Du hast doch den roten Klebestreifen um den Griff gemacht.«
Wolf hielt den Atem an. Hatte Felix ihm dabei zugesehen? Wolf konnte sich nicht erinnern. »Zeig mal her!« Wolf tat so, als würde er die Lampe genau inspizieren. »Stimmt. Das ist wirklich meine. Hast du sie mir etwa geklaut?«
Felix zögerte und sah auf seine Schuhe. »Nein, ich hab sie gefunden.«
»Wo denn, Felix?«, fragte Schäffer.
Felix warf seinem Vater einen ängstlichen Blick zu.
»Felix, du weißt doch, dass ich Polizist bin. Wenn ein Polizist dich etwas fragt, dann musst du Antwort geben.«
»Sie lag in dem großen Haufen Tannen, die du verbrannt hast.« Er wandte sich Schäffer zu. »Das war ein riesengroßes Lagerfeuer!«
»Na, das ist doch toll, dass du die Lampe wieder gefunden hat. Ich wette, dein Vater freut sich darüber.«
Wolf suchte noch nach einer Antwort, da klingelte sein Handy. Unbekannte Nummer. Eine plötzlich einsetzende Angst drückte auf Wolfs Magen. Er meldete sich.
Eine leise, kalte Stimme in der Leitung. Guram! »Es ist so weit. Wir holen die Zapfen jetzt ab. Wir treffen uns an der Kultur mit den alten Nordmännern.
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