Die Kaltzeller
Häuser zuschritten. „Hier herein!“ sagte das Mädchen und öffnete die Tür. Der Raum, in den Darragh trat, war behaglich eingerichtet. Ein selbstgewebter Teppich bedeckte den steinernen Boden, es gab alte Stühle aus dunkel gebeiztem Holz, ein Sofa, zwei Bücherbretter.
Brenda deutete auf einen der Stühle. „Setzen Sie sich, Mr. Darragh!“ sagte sie, und Darragh starrte sie fragend an, als sie die förmliche Anrede gebrauchte. „Setzen Sie sich!“ sagte auch Lyle, und Darragh kam der Aufforderung nach. Dann blickte er sich um. In der Mitte des Raumes wuchs ein Pfahl von etwa vier Zoll Durchmesser auf, der das Dach zu tragen schien. In der gegenüberliegenden Wand gewahrte Darragh eine rechteckige Vertiefung, die durch Glas, vielleicht war es auch ein Spiegel, ausgefüllt war.
Orrin Lyle räusperte sich und legte die Hände zusammen. „Wenn ich Ihnen einen offenen Rat geben darf, Mr. Darragh, so vermeiden Sie es, mit den Bewohnern der Siedlung über eine Flucht zu sprechen“, sagte er zum Erstaunen Darraghs.
„Warum?“ wollte Darragh wissen. „Sind sie etwa zufrieden mit ihrem Schicksal? Denken sie gar nicht an Flucht?“
„Sagen wir es so – wir haben unsere eigenen Fluchtpläne, aber unsere Zeit ist noch nicht gekommen“, erklärte Lyle. „Sie müssen wissen, daß ich hier so eine Art Chef bin, ich stehe dieser Siedlung vor. Unter anderem bin ich auch für die Ausarbeitung der Fluchtpläne verantwortlich.“
„Vielleicht kann ich Ihnen helfen“, meinte Darragh eifrig. „Ich saß bereits zweimal bei den Kaltzellern in der Falle und kam beide Male lebend davon. Ich nehme an, das ist nicht vielen Menschen widerfahren.“
„Wie wäre es, wenn Sie mir ein wenig mehr darüber erzählten, wie Sie vom Orinoko hierherkamen“, schlug Lyle vor. „Brenda kommt gerade mit dem Tee, dabei lassen sich dergleichen Dinge am besten besprechen. Fangen Sie also an!“
Darragh wartete, bis Brenda die Teetassen abgesetzt hatte, dann begann er zu berichten. Er erzählte von den Menschen, die in den Dschungeln Südamerikas lebten, von ihren Vorbereitungen für den Gegenschlag, von den Abenteuern, die er auf Haiti bestanden hatte. Er zog die Skizze aus der Tasche, die er angefertigt hatte, und legte sie auf den Tisch. Brenda Thompson beugte sich neugierig darüber.
„So also sehen die Behausungen der Herren – der Kaltzeller, wie Sie sie nennen, aus?“ fragte sie staunend.
„Das wissen Sie nicht?“ fragte Darragh zurück. „Sie leben doch in einem solchen Bau. Haben Sie ihn denn nie von außen gesehen? Wie sind Sie dann hereingekommen?“
„Ich wurde hier geboren“, erwiderte das Mädchen und nickte Lyle zu. „Er kann gut zeichnen, nicht wahr?“
Lyle nickte geistesabwesend, um dann den Kopf zu heben und Darragh abschätzend zu mustern. „Ja, sehr gut. Im übrigen finde ich Ihre Geschichte in einigen Punkten – nun, sagen wir – nicht ganz durchsichtig.“
„Was meinen Sie damit?“
Lyle lächelte. „Ich wollte damit nicht sagen, daß Sie uns Lügen aufbinden.“
„Das will ich hoffen. Was also dann?“
„Ich meine Ihre Haltung zu den Herren – zu den Kaltzellern. Sie sagen, Sie hätten sich gegen die von Ihren Führern vorgeschlagenen Pläne ausgesprochen. Sie meinten, es wäre noch zu früh zum Losschlagen.“
„Allerdings.“
Lyle hob seine Tasse und nahm einen Schluck Tee. „Wie vereinbart sich Ihre Absicht mit der Tatsache, daß Sie, kaum hier hereingeschneit, zu unseren Leuten von Flucht sprechen?“
„Ich habe inzwischen Erfahrungen gesammelt, wie den fremden Eindringlingen beizukommen ist“, sagte Darragh. „Ei ne Gegenfrage: Wie lange, warten Sie schon auf Ihre Chance?“
„Seit einigen Jahren“, mußte Lyle zugeben. „Wir wollen nichts unternehmen, bevor wir wirklich gerüstet sind.“
„Was ich verstehen kann. Und wann glauben Sie, daß Ihre Zeit gekommen sein wird?“
Lyles Augen schlossen sich zu schmalen Spalten, während er überlegte. „Es kann noch weitere Jahre dauern. Vielleicht sogar Generationen. Wir haben ein Fluchtkomitee gegründet, dem die fähigsten Köpfe angehören, wir sammeln Erfahrungen, wir studieren … “
„Schön und gut“, unterbrach Darragh den anderen ungehalten. „Ich gehöre leider zu den Menschen, die nicht Jahre oder sogar Generationen warten wollen. Ich muß hier heraus, muß zum Orinoko zurück, wo sie auf meine Nachrichten warten“
Spott lag in Lyles Stimme, als er antwortete. „Eine löbliche Idee! Und wie, wenn ich
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