Die Kameliendame
Junge, sehr geistreich, er wird erfreut sein, Ihre Bekanntschaft zu machen.'
,Gut, einverstanden. Dann gehen wir alle nach diesem Stück. Das letzte kenne ich schon.' .Gerne, ich werde meinen Freund verständigen.' .Gut, tun Sie das.'
Als ich die Loge verlassen wollte, sagte Prudence plötzlich: ,Ah, sehen Sie, da betritt der Herzog Marguerites Loge.' Ich sah hinüber.
In der Tat setzte sich ein etwa siebzigjähriger Mann neben die junge Frau. Er reichte ihr eine Bonbonniere, in die sie sogleich lächelnd hineingriff. Dann beugte sie sich über die Brüstung und gab Prudence ein Zeichen, das so viel heißen sollte, wie: ,Möchten Sie davon?' ,Nein', gab Prudence zu verstehen.
Marguerite hielt die Bonbonniere in ihren Händen und begann eine Unterhaltung mit dem Herzog. Die Erzählung all dieser Einzelheiten ist recht kindisch, aber alles, was mit ihr zusammenhängt, ist mir so gegenwärtig, daß ich auch heute wieder davon sprechen muß. Ich ging und verständigte Gaston von meiner Abmachung. Er war einverstanden.
Wir verließen unsere Plätze und wollten in die Loge von Frau Duvernoy. Gerade hatten wir die Saaltüre geöffnet, als wir stehenbleiben mußten, um Marguerite und den Herzog vorbeizulassen.
Ich hätte zehn Jahre meines Lebens gegeben, um an der Stelle des alten Mannes zu sein.
Auf dem Boulevard half er ihr in einen Phaeton, den er selbst kutschierte. Die zwei wunderbaren Pferde zogen an, und sie entschwanden unseren Augen.
Wir begaben uns in die Loge von Madame Prudence. Als das Stück beendet war, nahmen wir eine einfache Droschke, die uns in die Rue d'Antin Nr. 7 brachte. An der Tür des Hauses bat uns Prudence, doch mit hinaufzukommen und ihren Hutsalon anzusehen, den wir noch nicht kannten und der offenbar ihr ganzer Stolz war. Sie können sich denken, mit welchem Vergnügen ich annahm.
Es war mir, als näherte ich mich so nach und nach Marguerite. Ich brachte auch das Gespräch bald wieder auf sie. ,Ist der alte Herzog jetzt bei Ihrer Nachbarin?' fragte ich
Prudence.
,Nein, sie wird alleine sein.'
,Aber das muß ihr doch langweilig sein', sagte Gaston. ,Wir verbringen fast alle Abende gemeinsam. Wenn sie nach Hause kommt, ruft sie mich. Sie geht nie vor zwei Uhr zu Bett. Sie kann nicht eher schlafen.' ,Warum?'
,Sie ist lungenkrank und hat fast immer Fieber.' ,Hat sie keine Liebhaber?' fragte ich. » ,Ich habe nie bemerkt, daß jemand bei ihr blieb, wenn ich fortging. Aber ich weiß nicht, ob nicht vielleicht jemand zu ihr kommt, wenn ich fort bin. Oft ist abends ein gewisser Graf von N... dort. Er glaubt, er würde mehr erreichen, wenn er erst um elf Uhr kommt, und bringt ihr so wertvolle Geschenke, wie sie sich nur wünschen kann. Aber sie kann ihn nicht leiden. Sie hat unrecht, denn er ist sehr reich. Wie oft habe ich ihr nicht schon gesagt: »Mein liebes Kind, das ist der Mann für Sie.« Dann ist sie ungehalten, wendet mir den Rücken und sagt, er sei ihr zu dumm. Daß er dumm ist, gebe ich zu. Aber es wäre doch eine gute Partie für sie, um so mehr, als der alte Herzog von heute auf morgen sterben kann. Außerdem sind alte Männer Egoisten, und seine Familie wirft ihm beständig seine Neigung zu Marguerite vor: zwei Gründe, weshalb er ihr auch nichts vererben wird. Ich halte ihr Moralpredigten. Aber sie sagt darauf nur, wenn der alte Herzog tot sei, könne sie noch immer den Grafen nehmen.'
,Es ist nicht immer ein Vergnügen', fuhr Prudence fort, ,so zu leben, wie sie es tut. Ich weiß genau, für mich wäre das nichts. Ich wäre den alten Mann schon längst los. Er ist richtig geschmacklos, nennt sie seine Tochter, sorgt für sie wie für ein kleines Kind und bewacht sie ständig. Ich bin sicher, daß jetzt einer seiner Diener in der Straße aufpaßt, wer bei ihr herauskommt und vor allem, wer um diese Zeit noch zu ihr hineingeht.'
,Oh, die arme Marguerite', sagte Gaston, setzte sich ans Piano und spielte einen Walzer. ,Ich wußte das alles gar nicht. Mir fiel nur auf, daß sie in letzter Zeit weniger fröhlich ist.' ,Still!' rief Prudence und lauschte. Gaston hielt inne. ,Ich glaube, sie ruft mich.' Wir horchten.
Tatsächlich rief eine Stimme nach Prudence. ,Also, meine Herren, gehen Sie', sagte Frau Duvernoy zu uns. ,Oh, das verstehen Sie unter Gastlichkeit', sagte Gaston lachend.
,Wir werden dann gehen, wenn es uns paßt.' ,Warum sollen wir fortgehen?' ,Ich gehe zu Marguerite.'
,Wir werden hier warten.' ,Das geht nicht.'
,Dann werden wir mit Ihnen gehen.'
,Das geht noch weniger.'
,Ich
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