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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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ihre Hand, die ich küßte. ,Es ist wahr', begann sie wieder. ,Sie müssen wissen, daß ich die schlechte Angewohnheit habe, Menschen, die ich zum erstenmal sehe, in Verlegenheit zu bringen. Das ist sehr albern. Mein Arzt sagt, es komme von meinem Leiden und meiner Nervosität. Glauben Sie ihm!' ,Aber Sie scheinen sich wohl zu fühlen.' ,Oh, ich war sehr krank.' ,Ich weiß es.'
,Wer hat Ihnen das gesagt?'
,Jeder wußte es. Ich kam oft und habe mich nach Ihrem Befinden erkundigt. Und ich hörte mit Vergnügen von Ihrer Genesung.'
,Man hat mir niemals Ihre Karte gegeben.' ,Ich habe sie niemals dagelassen.'
,Waren Sie der junge Mann, der während meiner Krankheit täglich kam und nach mir fragte und nie seinen Namen nennen wollte?' ,Das bin ich.'
,Sie sind mehr als verständnisvoll, Sie sind hochherzig. Sie haben das nicht getan, Graf, sagte sie und wandte sich zu Herrn von N..., nachdem sie mir einen jener Blicke geschenkt hatte, durch den Frauen ihre Meinung über einen Mann vervollständigen.
,Ich kenne Sie erst seit zwei Monaten', antwortete der Graf. ,Und dieser Mann kennt mich erst seit fünf Minuten. Sie antworten nie etwas Vernünftiges.'
Frauen sind mitleidlos, wenn sie jemanden nicht lieben. Der Graf errötete und biß sich auf die Lippen. Ich hatte Mitleid mit ihm, denn er schien wie ich in sie verliebt zu sein. Marguerites unsanfte Offenheit mußte ihn verletzen, noch dazu in Gegenwart von zwei Fremden. ,Sie musizierten, als wir kamen', sagte ich, um das Thema zu wechseln. ,Wollen Sie mir nicht die Freude bereiten und, nachdem Sie mich wie einen alten Bekannten aufnahmen, weiterspielen?'
,Oh', sagte sie, setzte sich aufs Kanapee und lud uns gleichfalls ein, Platz zu nehmen. ,Gaston weiß, wie ich musiziere. Das kann ich tun, wenn ich mit dem Grafen alleine bin, aber Ihnen will ich diese Qualen nicht zumuten.' ,Mir aber geben Sie diesen Vorzug', entgegnete Herr von N... mit einem Lächeln, das vollendet und ironisch sein sollte. ,Sie haben unrecht, mir das vorzuwerfen, denn Sie werden dadurch bevorzugt.'
Der Arme sollte offenbar nicht ein Wort sagen dürfen. Er warf ihr einen flehenden Blick zu.
,Sagen Sie, Prudence', fuhr sie fort, ,haben Sie meinen Auftrag erledigt?' ,Ja.'
,Das ist gut. Sie werden mir das später erzählen. Wir müssen noch darüber sprechen. Gehen Sie nicht, ohne daß wir es getan haben.'
,Wir stören Sie sicher', sagte ich. ,Wir haben oder vielmehr ich habe mich heute ein zweites Mal vorstellen lassen, um das erste in Vergessenheit zu bringen. Deshalb werden Gaston und ich uns jetzt zurückziehen.'
,Auf keinen Fall. Das gilt nicht für Sie. Im Gegenteil, ich möchte, daß Sie bleiben.' Der Graf zog eine sehr elegante Uhr. ,Es ist Zeit für mich, in den Klub zu gehen', sagte er. Marguerite antwortete nichts.
Der Graf verließ seinen Platz am Kamin und ging auf sie zu. ,Adieu, gnädige Frau.' Marguerite erhob sich.
,Adieu, mein lieber Graf. Sie verlassen uns schon?' ,Ja, ich fürchte Sie zu langweilen.'
,Sie langweilen mich heute nicht mehr als sonst. Wann sieht man sich wieder?' ,Wann es Ihnen paßt.' ,Also adieu.'
,Das war grausam, nicht wahr? '
Der Graf hatte glücklicherweise eine sehr gute Erziehung und einen ausgezeichneten Charakter. Er küßte Marguerite nur die Hand, die sie ihm nachlässig reichte, grüßte uns und ging. An der Tür warf er Prudence einen Blick zu. Diese hob nur die Schultern, was soviel heißen sollte wie: Was wollen Sie? Ich habe getan, was ich konnte. ,Nanine', rief Marguerite, ,leuchte dem Herrn Grafen.' Wir hörten, wie die Türe geöffnet und wieder geschlossen wurde. ,Endlich', rief Marguerite lebhaft, ,er ist weg! Er fällt mir furchtbar auf die Nerven.'
,Mein liebes Kind', sagte Prudence, ,Sie verfahren wirklich ein wenig zu hart mit ihm. Und er ist so gut und aufmerksam gegen Sie. Da steht auf Ihrem Kamin eine Uhr, die er Ihnen geschenkt hat. Ich bin sicher, sie kostete mindestens tausend Francs.'
Frau Duvernoy war zum Kamin gegangen, spielte mit dem hübschen Gegenstand, von dem sie sprach, und betrachtete ihn begehrlich. ,Meine Liebe', sagte Marguerite und setzte sich vor das Piano, ,wenn ich das, was er mir schenkt, und das, womit er mich langweilt, miteinander vergleiche, dann finde ich, ich überlasse ihm seine Besuche sehr preiswert.' ,Der Arme ist verliebt in Sie.'
,Wenn ich alle, die in mich verliebt sind, erhören wollte, dann bliebe mir nicht einmal Zeit zum Essen.' Sie ließ ihre Finger über die Tasten gleiten, dann wandte sie sich zu uns und

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