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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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sang leise ein leichtfertiges Lied, bei dessen Begleitung sie sich nicht verspielte. Gaston kannte dieses Lied und summte es mit.
,Singen Sie so etwas nicht', sagte ich herzlich bittend zu Marguerite.
,Oh, wie moralisch Sie sind', entgegnete sie und reichte mir lächelnd ihre Hand. ,Nicht meinetwegen, Ihretwegen!'
Marguerite machte eine Bewegung, die besagen sollte: Oh, ich habe schon lange aufgehört, moralisch zu sein. In diesem Augenblick kam Nanine wieder. ,Ist das Abendessen fertig?' fragte Marguerite. ,Ja, gnädige Frau, sofort.'
,Übrigens', sagte Prudence zu mir, ,Sie haben die Wohnung noch nicht gesehen. Kommen Sie, ich zeige sie Ihnen.' Sie wissen ja, der Salon war wundervoll! Marguerite begleitete uns kurz, dann rief sie Gaston und ging mit ihm ins Eßzimmer, um nachzusehen, ob das Abendessen serviert sei.
,Sieh!' rief Prudence sehr laut und nahm von einem Wandbrett eine kleine Meißener Porzellanfigur. ,Ich kenne den kleinen Mann noch gar nicht.' ,Welchen?'
,Einen kleinen Schäfer, der einen Vogelkäfig hält.' ,Nehmen Sie ihn, wenn er Ihnen Freude macht.' ,Oh, aber ich will Sie nicht berauben.'
,Ich wollte ihn schon meinem Zimmermädchen geben, ich finde ihn häßlich. Aber wenn er Ihnen gefällt, nehmen Sie ihn.'
Prudence sah nur das Geschenk und nicht die Art, in der es gegeben wurde. Sie stellte die kleine Figur zur Seite und führte mich ins Ankleidezimmer. Dort zeigte sie mir zwei kleine Miniaturbilder und sagte:
,Das ist der Graf von G..., er war sehr verliebt in Marguerite. Er war es, der sie in die große Welt einführte. Kennen Sie ihn?'
,Nein. Und dieser hier?' fragte ich und zeigte auf das andere Bild.
,Das ist der kleine Vicomte von L... Er mußte sie verlassen.' ,Warum?'
,Er hatte sich fast zugrunde gerichtet. Er liebte Marguerite wirklich.'
,Und sicher liebte sie ihn auch?'
,Sie ist ein merkwürdiges Mädchen. Man wird nie recht klug aus ihr. Am Abend seiner Abreise war sie wie gewöhnlich im Theater. Und doch hatte sie beim Abschied geweint.' In diesem Augenblick erschien Nanine und rief zum Abendessen.
Als wir das Eßzimmer betraten, stand Marguerite mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, Gaston hielt ihre beiden Hände und sprach leise auf sie ein.
,Sie sind nicht gescheit', antwortete Marguerite ihm, ,Sie wissen genau, daß ich das nicht tue. Man fragt eine Frau wie mich nicht nach zwei Jahren noch immer, ob man ihr Geliebter sein kann.
Wir, wir geben uns entweder gleich oder nie. - Bitte, meine Herren, setzen wir uns!' Marguerite entschlüpfte den Händen Gastons. Er mußte sich rechts, ich mich links neben sie setzen. ,Ehe du dich hinsetzt', befahl sie Nanine, ,sage, bitte, in der Küche, daß man nicht öffnen soll, wenn es klingelt.'
Als sie diese Anordnung traf, war es ein Uhr nachts. Bei diesem Abendessen wurde viel gelacht, viel getrunken und viel gegessen. Schon nach wenigen Augenblicken hatte die Fröhlichkeit ihre äußerste Grenze erreicht. Worte, die gewisse Menschen sehr unterhaltend finden, die aber den Mund, der sie ausspricht, immer beschmutzen, fielen von Zeit zu Zeit unter großem Beifall von Nanine, Prudence und Marguerite. Gaston amüsierte sich köstlich. Er war ein herzensguter Junge, aber durch seine ersten Bekanntschaften schon ein wenig verdorben. Einen Augenblick dachte ich daran, mich zu betäuben, mein Herz und meine Gedanken unempfindlich für dieses Schauspiel zu machen und teilzunehmen an dieser Heiterkeit, die eine Beigabe dieses Essens zu sein schien. Aber nach und nach schloß ich mich von dem Lärm aus, mein Glas blieb gefüllt, ich wurde traurig beim Anblick dieses schönen Wesens, das mit seinen zwanzig Jahren wie ein Droschkenkutscher trank und sprach und über anstößige Worte schallend lachen konnte. Aber diese Heiterkeit, diese Art zu sprechen und zu trinken,schien mir bei den anderen eine Folge des Übermaßes, der Gewohnheit oder Hemmungslosigkeit zu sein, bei Marguerite hingegen ein Mittel, um vergessen zu können, ein Fieber, eine nervöse Reizbarkeit. Bei jedem Glas Champagner wurden ihre Wangen fieberrot. Ein Husten, der zu Beginn des Essens nur leicht war, wurde mit der Zeit so heftig, daß sie ihren Kopf an den Stuhl lehnte und jedesmal, wenn sie hustete, ihre Hände vor die Brust pressen mußte.
Ich litt förmlich mit unter den Beschwerden, die diese täglichen Gelage ihrer zarten Gesundheit verursachen mußten. Dann geschah etwas, was ich vorausgeahnt und befürchtet hatte. Das Essen war fast beendet, als Marguerite von einem

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