Die Kameliendame
heftigeren Husten befallen wurde, als es bisher der Fall war. Ich meinte, ihre Brust müsse zerspringen. Das arme Mädchen wurde dunkelrot im Gesicht, schloß vor Schmerz die Augen und hielt sich die Serviette vor den Mund. Ein Blutstropfen färbte sie rot. Da erhob sie sich und eilte in ihr Ankleidezimmer. ,Was hat Marguerite?' fragte Gaston. ,Sie hat zuviel gelacht und muß husten', antwortete Prudence. ,Oh, das ist weiter nichts, das passiert ihr alle Tage. Sie wird bald wiederkommen. Lassen wir sie nur alleine. Das ist ihr das liebste.'
Zum großen Erstaunen von Prudence und Nanine, die mich zurückriefen, eilte ich Marguerite nach.
X
Sie hatte sich in ein Zimmer zurückgezogen, das nur von einer Kerze erhellt wurde, die auf dem Tisch stand. Sie lag auf einem breiten Ruhebett, ihr Kleid war in Unordnung geraten. Die eine Hand ruhte auf ihrem Herzen, die andere hing herab. Auf dem Tisch stand eine zur Hälfte mit Wasser gefüllte, silberne Schale. Durch das Wasser zogen sich dünne Blutfäden wie Äderchen.
Sehr blaß, mit halbgeöffnetem Mund versuchte Marguerite wieder zu Atem zu kommen. Manchmal hob sich ihre Brust mit einem tiefen Seufzer, der sie zu erleichtern schien und ihr für einige Sekunden Wohlbefinden vortäuschte. Auch als ich mich ihr näherte, blieb sie regungslos liegen. Ich setzte mich und ergriff die Hand, die auf dem Kanapee lag.
,Oh, Sie sind es', sagte sie lächelnd.
Ich mußte wohl sehr verstört aussehen, denn sie fügte hinzu:
,Sind Sie auch krank?'
,Nein, aber Sie! Haben Sie noch Schmerzen?' ,Kaum.' Sie tupfte sich mit dem Taschentuch die Tränen ab, die ihr der Husten in die Augen getrieben hatte.
,Ich bin ja daran gewöhnt.' ,Sie töten sich, gnädige Frau', sagte ich mit bewegter Stimme. ,Ich wünschte, ich wäre Ihr Freund oder Ihr Verwandter, um zu verhindern, daß Sie sich so schaden.' ,Oh, es ist wirklich nicht der Mühe wert, sich zu beunruhigen', entgegnete sie in bitterem Ton. ,Sehen Sie sich die anderen an, die wissen genau, daß nichts dagegen getan werden kann.'
Dann stand sie auf, nahm die Kerze, setzte sich auf den Kamin und betrachtete sich im Spiegel.
,Wie blaß ich bin', sagte sie, während sie ihr Kleid und ihre Haare ordnete.
,Ach was! Gehen wir wieder zu den anderen. Kommen Sie!'
Aber ich blieb sitzen und rührte mich nicht. Sie verstand wohl die Erregung, die mir diese Szene verursacht hatte, denn sie kam auf mich zu, reichte mir ihre Hand und sagte: ,Aber so kommen Sie doch.' Ich ergriff ihre Hand, führte sie an die Lippen und netzte sie, ohne daß ich es hindern konnte, mit zwei lange zurückgehaltenen Tränen.
,Nicht doch, Sie sind kindisch', sagte sie und setzte sich neben mich. Jetzt weinen Sie auch noch! Was haben Sie?' ,Ich muß Ihnen albern vorkommen. Aber das, was ich eben mit ansehen mußte, war furchtbar.'
,Sie sind gut! Was wollen Sie. Ich kann nicht schlafen, also muß ich mich ein wenig zerstreuen. Und was bedeutet das schon, ob es ein Mädchen meiner Art mehr oder weniger gibt.Die Ärzte sagen, das Blut komme von den Bronchien. Ich tue so, als glaube ich es, weil es der einzige Gefallen ist, den ichmeinen Ärzten erweisen kann.' ,Hören Sie, Marguerite', rief ich mit einer Erregung, die ich nicht länger meistern konnte. ,Ich weiß nicht, welchen Einfluß Sie auf mein Leben haben werden. Aber ich weiß, daß es in dieser Stunde niemanden auf der Welt gibt, der mich so sehr beschäftigt wie Sie, nicht einmal meine Schwester. So ist es, seit ich Sie gesehen habe. Ich flehe Sie an, pflegen Sie sich und leben Sie nicht länger so maßlos und auf Kosten Ihrer Gesundheit wie bisher.'
,Wenn ich mich pflegte, müßte ich sterben. Nur dieses fieberhafte Leben hält mich aufrecht. Und dann, sich pflegen! Das ist etwas für vornehme Damen, die Angehörige und Freunde haben. Aber wir! Wenn wir nicht mehr die Eitelkeit und das Vergnügen unserer Liebhaber befriedigen können, dann verlassen sie uns, und den langen Abenden folgen lange Tage. Lassen Sie, ich weiß es. Ich lag zwei Monate lang zu Bett, und nach drei Wochen besuchte mich niemand mehr.' ,Es ist wahr, ich kann Ihnen nichts bedeuten', begann ich wieder. ,Aber wenn Sie wollen, würde ich Sie wie ein Bruder pflegen; ich würde Sie nicht verlassen, ich würde Sie heilen. Und wenn Sie dann wieder bei Kräften sind, dann können Sie, wenn Sie wollen, Ihr jetziges Leben wieder aufnehmen. Aber ich bin sicher, Sie würden ein ruhigeres Dasein vorziehen, sie würden glücklich sein und schön bleiben.'
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