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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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läutete es abermals. ,Es ist niemand zum öffnen da, ich muß es also selber tun.' Sie stand tatsächlich auf und sagte zu mir: ,Warten Sie hier.'
Sie ging durch die Wohnung, und ich hörte, wie sie die Eingangstür öffnete. Ich horchte. , Der, dem sie geöffnet hatte, blieb im Eßzimmer stehen. Bei; den ersten Worten erkannte ich die Stimme des jungen Grafen von N...
,Wie fühlen Sie sich heute abend?' fragte er. ,Schlecht', antwortete Marguerite trocken. ,Störe ich Sie?' ,Vielleicht.'
,Wie Sie mich behandeln! Was habe ich Ihnen getan, meine liebe Marguerite?' ,Mein lieber Freund, Sie haben mir nichts getan. Ich bin krank, ich muß zu Bett. Sie würden mir also eine Freude machen, wenn Sie gingen. Es langweilt mich tödlich, daß ich keinen Abend nach Hause kommen kann, ohne daß Sie fünf Minuten später auch da sind. Was wollen Sie? Daß ich Ihre Geliebte werde? Ich habe Ihnen schon hundertmal gesagt: Nein. Sie ärgern mich sehr, und es ist besser, wenn Sie sich an jemand andern wenden. Ich wiederhole heute zum letztenmal: Ich will Sie nicht, und dabei bleibt es. Adieu. Da kommt Nanine wieder. Sie wird Ihnen leuchten. Guten Abend.' Ohne ein weiteres Wort und ohne das Stammeln des jungen Mannes zu hören, kam Marguerite in ihr Zimmer zurück und schloß heftig die Tür. Unmittelbar darauf trat Nanine ein.
,Höre mich', sagte Marguerite zu ihr, ,du wirst diesem Dummkopf immer sagen, daß ich nicht da bin oder ihn nicht empfangen will. Ich bin es endlich müde, immer wieder Menschen zu sehen, die mich stets um das gleiche bitten, die mir Geld geben und die dann glauben, damit sei's getan. Wenn die, die unser schändliches Gewerbe anfangen, wüßten, wie es in Wirklichkeit ist, sie würden lieber Zimmermädchen. Aber nein, der eitle Wunsch, Kleider, Wagen und Schmuck zu haben, ist stärker. Man glaubt den Erzählungen, denn auch die Prostitution hat ihren Ruf. Man verbraucht allmählich sein Herz, seinen Körper und seine Schönheit. Man ist gefürchtet wie ein wildes Tier und verachtet wie ein Paria. Man ist umgeben von Menschen, die einem mehr nehmen, als sie geben, und eines Tages geht man einsam vor die Hunde, nachdem man zuerst die anderen verloren hat und zuletzt sich selber.' ,Aber, gnädige Frau, beruhigen Sie sich, Ihre Nerven sind heute angegriffen', sagte Nanine.
,Dies Kleid stört mich', begann Marguerite wieder und öffnete die Spangen ihres Mieders. .Gib mir meinen Morgenrock. Na, und Prudence?'
,Sie war noch nicht da, aber man wird sie sofort zur gnädigen Frau schicken, wenn sie zurückkommt.' ,Das ist auch so eine', fuhr Marguerite fort, legte ihr Kleid ab und schlüpfte in einen weißen Morgenrock, ,das ist auch so eine, die zu mir kommt, wenn sie mich braucht, die mir aber niemals rein aus Gefälligkeit einen Dienst erweist. Sie weiß, daß ich diese Antwort heute abend erwarte, daß ich unruhig bin. Ich bin sicher, sie ist wer weiß wohin gegangen, ohne an mich zu denken.' .Vielleicht wurde sie aufgehalten.'
,Bring uns Punsch.'
,Sie werden sich noch mehr schaden', sagte Nanine.
,Um so besser. Bring uns auch Obst, Pasteten oder Geflügel,
irgend etwas, ganz rasch, ich habe Hunger.'
Es ist unnötig, Ihnen die Empfindung zu schildern, die mir diese Szene verursachte. Sie ahnen es, nicht wahr? ,Sie werden mit mir speisen', sagte sie zu mir. inzwischen nehmen Sie sich ein Buch. Ich gehe einen Augenblick in mein Ankleidezimmer.' Sie entzündete die Kerzen eines Leuchters, öffnete eine Tür am Fußende des Bettes und verschwand.
Ich versank in Nachdenken über das Leben dieses Mädchens und liebte sie nicht nur, ich hatte auch Mitleid mit ihr. Mit großen Schritten ging ich, ganz in Gedanken verloren, im Zimmer auf und ab, als Prudence eintrat.
,Ach, Sie sind da? Wo ist Marguerite?'
,In ihrem Ankleidezimmer.'
,Dann warte ich. Sagen Sie, wissen Sie schon, daß Marguerite Sie charmant findet?'
,Nein.'
,Sie hat es Ihnen nicht angedeutet?'
,Nicht im geringsten.'
,Warum sind Sie hier?'
,Ich mache ihr einen Besuch.'
,Um Mitternacht?'
,Warum nicht?'
,Sie Scheinheiliger!'
,Sie hat mich sogar sehr wenig freundlich empfangen.'
,Das wird gleich besser werden.'
»Glauben Sie?' ,Ich bringe ihr eine gute Nachricht! , ,Das ist schön. Sie hat also gestern von mir gesprochen?' ,Ja, gestern abend, vielmehr heute nacht, als sie mit Ihrem Freund fortgegangen waren ... Wie geht es übrigens Ihrem Freund? Gaston R... hieß er, glaube ich.' ,Ja', antwortete ich und mußte lächeln bei der Erinnerung an Gastons Geständnis.

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