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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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mußte.'
,Nein, mein Freund, du hast nicht genug getan. Du mußt zu deinem Vater zurückkehren, morgen bestimmt.' ,Warum morgen und nicht an einem anderen Tage?' ,Weil', sagte Marguerite, und schien ein wenig zu erröten bei meiner Frage, ,weil Beharrlichkeit stärker wirkt und wir um so eher seine Verzeihung erlangen können.' Den ganzen Abend über war Marguerite nachdenklich, zerstreut und traurig. Ich mußte sie zweimal fragen, bevor sie mir eine Antwort gab. Sie erklärte ihre Versunkenheit damit, daß sie sich nach den Vorfällen der letzten zwei Tage Gedanken über unsere Zukunft mache. Ich versuchte die ganze Nacht, sie zu beruhigen. Am nächsten Morgen drängte sie mich unruhig zur Abfahrt. Ich konnte mir das nicht erklären.
Mein Vater war, wie am Vortage, nicht da. Aber er hatte einen Brief hinterlassen.
,Wenn Sie heute wieder zu mir kommen, dann warten Sie bis vier Uhr auf mich. Wenn ich bis dahin nicht zurück bin, kommen Sie morgen zum Essen zu mir. Ich muß Sie sprechen.'
Ich wartete bis zur angegebenen Stunde. Mein Vater kam nicht. Ich fuhr zurück.
Am Vortage hatte ich Marguerite bei meiner Rückkehr traurig angetroffen, diesmal war sie fiebrig erregt. Sie fiel mir zwar um den Hals, weinte dann aber lange in meinen Armen. Ich fragte nach der Ursache ihres plötzlichen Kummers, dessen Tiefe mich beunruhigte. Sie gab mir keinen vernünftigen
Grund dafür an und brachte nur alles mögliche vor, was eine Frau sagt, wenn sie die Wahrheit nicht eingestehen will.
Als sie ein wenig beruhigt war, berichtete ich von dem Ergebnis meiner Fahrt. Ich zeigte ihr den Brief meines Vaters und erklärte ihr, daß wir das Beste hoffen dürften. Beim Anblick des Briefes und bei den Betrachtungen, die ich darüber anstellte, weinte sie so heftig, daß ich Nanine rufen mußte und wir sie zu Bett brachten. Ich befürchtete einen nervösen Schwächeanfall. Das arme Mädchen weinte, ohne ein Wort zu sagen. Sie küßte nur immer wieder meine Hände. Ich fragte Nanine, ob während meiner Abwesenheit ein Brief oder Besuch gekommen sei. Beides konnte ein Grund für Marguerites Zustand sein. Aber Nanine antwortete, daß niemand gekommen sei und man nichts gebracht habe. Dennoch mußte seit dem Vortage etwas sehr Beunruhigendes vorgefallen sein, was Marguerite mir verbarg. Gegen Abend wurde sie anscheinend etwas ruhiger. Ich mußte mich ans Fußende ihres Bettes setzen, und sie versicherte mir immer wieder, daß sie mich liebe. Sie lächelte sogar dabei, aber etwas gezwungen, und ihre Augen waren tränenumflort. Ich wandte alle Mittel an, um die Ursache ihres Kummers zu erfahren, aber sie beruhigte mich immer mit unklaren Ausreden, wie ich Ihnen schon erzählte.
Endlich schlief sie in meinen Armen ein. Aber es war ein Schlaf, der den Körper entkräftet, statt ihn zu stärken. Ab und zu stieß sie einen Schrei aus, erwachte jäh, und wenn sie sich vergewissert hatte, daß ich neben ihr lag, mußte ich schwören, daß ich sie immer lieben werde. Ich wußte nicht, was ihr schmerzvolles Wesen zu bedeuten hatte, das sich bis zum Morgen nicht veränderte. Dann erst fiel Marguerite in einen todähnlichen Schlaf. Zwei Nächte hatte sie kein Auge zugetan. Aber diese Ruhe war nicht von langer Dauer.
Gegen elf Uhr erwachte sie, sah mich schon angekleidet, blickte um sich und rief: ,Gehst du schon fort?' ,Nein, aber ich habe dich nicht wecken wollen. Es ist noch Zeit.'
,Um wieviel Uhr fährst du nach Paris?'
,Um vier Uhr.'
,So bald? Bis dahin bleibst du bei mir, nicht wahr?'
,Natürlich. Tue ich das nicht immer?'
,Wie schön.'
,Wollen wir frühstücken?' fragte ich dann zerstreut.
,Wenn du möchtest.'
,Und dann küßt du mich, bis du fortfährst?'
,Ja, und ich komme so bald wie möglich wieder.'
,Du wirst wiederkommen?' fragte sie mit verstörtem Blick.
,Natürlich.'
,Ach ja, du kommst heute abend wieder, und ich, ich werde wie immer warten, und du wirst mich lieben, wie immer, und wir werden so glücklich sein, wie wir es sind, seit wir uns kennen.'
Sie sagte diese Sätze so abgerissen, als würde sie dahinter einen schmerzvollen Gedanken verbergen, der sie so sehr zu quälen schien, daß ich vor Furcht zitterte, Marguerite könne jeden Augenblick den Verstand verlieren.
,Höre', sagte ich zu ihr, ,du bist krank, ich kann dich nicht allein lassen, ich werde meinem Vater schreiben, daß er mich heute nicht erwarten soll.'
,Nein, nein', rief sie rasch. ,Tue das nicht. Dein Vater wird mir vorwerfen, ich hielte dich zurück, wenn er dich sehen

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