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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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er einen Gedanken verscheuchen. Dann öffnete er den Mund, als ob er mir noch etwas sagen müsse, drückte mir aber doch nur die Hand und rief mir nach: ,Auf morgen also!'
     

XXII
     
    Mir war, als käme der Zug nicht vorwärts. Um elf Uhr war ich in Bougival. Kein Fenster im Haus war erleuchtet, und als ich läutete, rührte sich nichts.
Das begegnete mir zum ersten Male.
Endlich ließ der Gärtner mich herein. Nanine kam mir mit
einem Licht entgegen. Ich ging in Marguerites Zimmer.
,Wo ist die gnädige Frau?'
,Die gnädige Frau ist nach Paris gefahren.'
,Nach Paris?' ,Ja.' ,Wann?' ,Eine Stunde später als Sie.' ,Hat
sie nichts für mich hinterlassen?'
,Nein.' Nanine ließ mich allein.
Sie ist fähig und glaubt mir nicht, dachte ich. Sie ist nach Paris gefahren, um sich zu vergewissern, daß ich mich auch wirklich mit meinem Vater treffe und den Besuch bei ihm nicht zum Vorwand nehme, mich dort einen Tag allein zu vergnügen.
Vielleicht hatte Prudence ihr auch in einer wichtigen Angelegenheit geschrieben. Aber ich hatte Prudence doch gesehen, und sie hatte mir nichts gesagt, was vermuten ließ, daß sie ihr geschrieben hatte. Plötzlich erinnerte ich mich an Frau Duvernoys Frage: ,Sie kommt also heute nicht nach Paris?', als ich ihr gesagt hatte, Marguerite sei krank. Ich entsann mich jetzt auch der Verwirrung, in die diese Frage, die ein Rendezvous zu verraten schien, Prudence versetzt hatte. Dann kam mir die Erinnerung an Marguerites Tränen während des ganzen Tages, Tränen, die ich durch den gütigen Empfang meines Vaters ein wenig vergessen hatte. Von diesem Augenblick an gruppierten sich alle Ereignisse des Tages um diesen letzten Verdacht und festigten sich in meinen Gedanken so sehr, daß alles, bis auf das mir erwiesene Verständnis meines Vaters, zueinander paßte. Marguerite hatte fast gefordert, daß ich nach Paris ging. Sie hatte sich bemüht, ruhig zu erscheinen, als ich vorschlug, bei ihr zu bleiben. War ich in eine Falle geraten? Betrog mich Marguerite? Hatte sie damit gerechnet, rechtzeitig vor mir zurück zu sein, so daß ich ihre Abwesenheit nicht bemerkte, und war sie zufällig aufgehalten worden? Warum hatte sie Nanine nichts gesagt? Warum hatte sie mir nicht geschrieben? Was sollten ihre Tränen, ihre Abwesenheit, all dies Geheimnisvolle, was sollte es bedeuten?
Das fragte ich mich mit Schrecken in den leeren Zimmern, den Blick starr auf die Uhr gerichtet. Sie zeigte Mitternacht, als wolle sie mir sagen, es sei zu spät, um meine Geliebte heute noch zu erwarten. War es möglich, daß sie mich betrog, nach allem, was wir für die Zukunft geplant hatten und den Opfern, die sie für mich gebracht hatte? Nein, das war unwahrscheinlich!
Das arme Mädchen wird einen Käufer für seine Sachen gefunden haben. Es wird nach Paris gefahren sein, um dort alles Nähere zu vereinbaren. Es hat mir nichts davon gesagt, weil es weiß, daß mir diese für unser Glück notwendige Versteigerung trotz meiner Einwilligung sehr unangenehm ist. Sie fürchtet, mich zu verletzen, und hat, um mich zu schonen, nichts gesagt, denn sie wollte mich vor die vollendete Tatsache stellen. Deshalb auch wartete Prudence auf Marguerite, wie sie mir durch ihre Verlegenheit verriet. Marguerite konnte sicher nicht alles in so kurzer Zeit erledigen, wie sie gehofft hatte, und würde bei Prudence schlafen. Vielleicht würde sie auch jeden Augenblick zurückkommen, denn sie mußte sich doch denken, wie sehr mich ihr Ausbleiben beunruhigte, und das war sicher nicht ihre Absicht. Aber warum diese Tränen? Vielleicht, weil das arme Kind sich trotz seiner Liebe zu mir nicht ohne Bedauern von seinem Reichtum trennen konnte. Denn bisher war sie von Luxus umgeben, glücklich und begehrenswert gewesen.
Ich wollte es gern entschuldigen, wenn Marguerite deshalb traurig war. Mit Ungeduld erwartete ich sie, um ihr unter Küssen zu sagen, daß ich den Grund ihrer Abwesenheit geahnt hätte.
Aber die Nacht rückte vor und Marguerite kam nicht. Die Unruhe engte meine Gedanken immer mehr ein. Ich wußte kaum noch, was ich dachte, was ich fühlte. Vielleicht war ihr etwas zugestoßen? Vielleicht war sie verletzt, krank, tot? - Vielleicht würde gleich ein Bote erscheinen, um mir eine schreckliche Nachricht zu bringen? Vielleicht auch würde mich der neue Tag in der gleichen Unruhe, der gleichen Sorge finden! Der Gedanke, daß Marguerite mich betrügen könnte, während ich angstvoll auf sie wartete, schien mir unsinnig. Es mußte etwas

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