Die Kammer
eine frische Schachtel Zigaretten aus der Tasche, und Adam schaute sich nach einem Fenster um. Nachdem die erste angezündet war, sagte Sam: »Halt dich von der Presse fern. Diese Leute sind skrupellos und dämlich obendrein. Sie lügen und scheren sich nicht darum, ob sie Fehler machen.«
»Aber ich bin Anwalt, Sam. Das liegt mir im Blut.«
»Ich weiß. Es ist schwer, aber versuch, dich zu beherrschen. Ich will nicht, daß das noch einmal passiert.«
Adam griff nach seinem Aktenkoffer, lächelte und holte einige Papiere heraus. »Ich habe eine wundervolle Idee, wie wir dein Leben retten können.« Er rieb sich die Hände, dann holte er einen Stift aus der Tasche. Es war Zeit, mit der Arbeit zu beginnen.
»Ich höre.«
»Nun, wie du dir vielleicht denken kannst, habe ich eine Menge Recherchen angestellt.«
»Dafür wirst du schließlich bezahlt.«
»Ja. Und ich bin dabei auf einen prächtigen Gedanken gekommen, eine neue Eingabe, die ich am Montag einreichen will. Die Argumentation ist simpel. Mississippi ist einer von nur fünf Staaten, die noch die Gaskammer verwenden, richtig?«
»Richtig.«
»Und 1984 hat das Parlament von Mississippi ein Gesetz verabschiedet, das einem zum Tode Verurteilten die Wahl läßt, ob er durch eine tödliche Injektion oder in der Gaskammer sterben will. Aber das neue Gesetz gilt nur für Leute, die nach dem 1. Juli 1984 verurteilt wurden. Also nicht für dich.«
»Das stimmt. Ich nehme an, ungefähr die Hälfte der Männer im Trakt hat diese Wahl. Aber bis dahin können noch Jahre vergehen.«
»Einer der Gründe, aus denen das Parlament das Gesetz verabschiedete, war, das Töten humaner zu machen. Ich habe mich eingehend mit der Vorgeschichte dieses Gesetzes beschäftigt. Es hat lange Diskussionen über Probleme gegeben, die der Staat mit Hinrichtungen in der Gaskammer gehabt hat. Was dahintersteckt, ist ganz einfach: Richtet die Leute schnell und schmerzlos hin, dann gibt es weniger Verfassungsbeschwerden des Inhalts, daß Hinrichtungen grausam seien. Tödliche Injektionen werfen weniger juristische Probleme auf, deshalb sind die Hinrichtungen leichter durchzuführen. Unsere Theorie ist also, daß der Staat, indem er sich für die tödliche Injektion entschieden hat, im Grunde zugegeben hat, daß die Gaskammer veraltet ist. Und weshalb ist sie veraltet? Weil sie eine grausame Art des Tötens ist.«
Sam paffte eine Minute lang schweigend, dann nickte er langsam. »Sprich weiter«, sagte er.
»Wir attackieren die Gaskammer als Hinrichtungsmethode.«
»Willst du dich auf Mississippi beschränken?«
»Wahrscheinlich. Ich weiß, daß es mit Teddy Doyle Meeks und Maynard Töle Probleme gegeben hat.«
Sam schnaubte und blies Rauch über den Tisch. »Probleme? Das kann man wohl sagen.«
»Wieviel weißt du darüber?«
»Na hör mal. Sie sind keine fünfzig Meter von mir entfernt gestorben. Wir sitzen den ganzen Tag in unseren Zellen und denken über den Tod nach. Jeder im Trakt weiß, was mit den beiden passiert ist.«
»Erzähl mir von ihnen.«
Sam stützte die Ellenbogen auf, lehnte sich vor und starrte geistesabwesend auf die vor ihm liegende Zeitung. »Meeks war nach einer Pause von zehn Jahren der erste, der in Mississippi hingerichtet wurde, und sie waren wohl ein bißchen aus der Übung. Das war 1982. Ich war seit fast zwei Jahren hier, und bis dahin hatten wir in einer Traumwelt gelebt. Wir haben nie an die Gaskammer gedacht oder an Cyanidkörnchen und Henkersmahlzeiten. Wir waren zum Tode verurteilt, aber schließlich brachten sie niemanden um, weshalb sich also Sorgen machen? Aber Meeks hat uns aufgeweckt. Sie hatten ihn umgebracht, also konnten sie mit uns das gleiche tun.«
»Was ist mit ihm passiert?« Adam hatte ein Dutzend Berichte über die verpfuschte Hinrichtung von Teddy Doyle Meeks gelesen, aber er wollte es von Sam hören.
»Die Sache ist von vorn bis hinten schiefgegangen. Hast du die Kammer gesehen?«
»Noch nicht.«
»Gleich daneben liegt ein kleiner Raum, in dem der Vollstrecker seine Lösung anmischt. Die Schwefelsäure befindet sich in einem Kanister, den er aus seinem kleinen Labor zu einem Rohr überführt, das im Boden der Kammer ausläuft. Bei Meeks war der Vollstrecker betrunken.«
»Na hör mal, Sam.«
»Zugegeben, ich habe ihn nicht gesehen. Aber alle wußten, daß er betrunken war. Der Staat ernennt von Gesetzes wegen einen offiziellen Vollstrecker, und daran haben der Direktor und seine Leute bis ein paar Stunden vor der Hinrichtung
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