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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Mittagsnachrichten. Dann ging sie zur allmorgendlichen Zusammenfassung der Morde der vergangenen Nacht über.
    Sam warf den Toast auf den Fußboden unter dem Bücherregal und starrte darauf. Ein Insekt entdeckte ihn fast sofort und kroch ein halbdutzendmal darüber und darum herum, bevor es zu dem Schluß gelangte, daß er das Fressen nicht lohnte. Sein Anwalt hatte also bereits mit der Presse geredet. Was brachten sie diesen Leuten an der Universität bei? Gab man ihnen Spezialkurse über den Umgang mit den Medien?
    »Sam, bist du wach?« Es war Gullitt.
    »Ja. Ich bin wach.«
    »Habe dich gerade auf Channel Four gesehen.«
    »Ja. Habe ich auch gesehen.«
    »Bist du sauer?«
    »Ich bin okay.«
    »Einfach tief durchatmen, Sam. Es ist okay.«
    Unter den zum Tod in der Gaskammer verurteilten Männern waren die Worte »Einfach tief durchatmen« eine gängige Redensart, und sie sahen darin nicht mehr als einen Versuch, die Sache mit Humor zu nehmen. Sie benutzten sie ständig, gewöhnlich dann, wenn einer wütend war. Wenn allerdings einer der Wärter so mit ihnen sprach, war das alles andere als lustig. Es war ein Verstoß gegen ihre verfassungsmäßigen Rechte und in mehr als einem Prozeß als Beispiel für die grausame Behandlung von Insassen der Todeszellen vorgebracht worden.
    Sam schloß sich dem Insekt an und verzichtete auf den Rest seines Frühstücks. Er trank einen Schluck Kaffee und starrte auf den Fußboden.
    Um halb zehn erschien Sergeant Packer in der Abteilung und kam zu Sam. Es war Zeit für seine Stunde an der frischen Luft. Der Regen war weit weg, und die Sonne versengte das Delta. Packer hatte zwei Wärter bei sich und ein Paar Beinketten. Sam deutete auf die Ketten und fragte: »Wozu sind die da?«
    »Eine Sicherheitsmaßnahme, Sam.«
    »Ich gehe doch nur raus zum Spielen, oder?«
    »Nein, Sam. Wir bringen dich in die juristische Bibliothek. Dein Anwalt will sich dort mit dir treffen, damit ihr euch schön zwischen den Büchern unterhalten könnt. Und jetzt dreh dich um.«
    Sam schob beide Hände durch die Öffnung in seiner Tür. Packer legte ihm die Handschellen an, dann glitt die Tür auf, und Sam trat auf den Flur hinaus. Die Wärter ließen sich auf die Knie nieder und befestigten die Beinketten, während Sam fragte: »Was ist mit meiner Draußenstunde?«
    »Was soll damit sein?«
    »Wann bekomme ich sie?«
    »Später.«
    »Das haben Sie gestern auch gesagt, und ich habe sie nicht bekommen. Gestern haben Sie mich angelogen. Und jetzt lügen Sie mich wieder an. Ich werde Sie verklagen.«
    »Prozesse dauern lange. Manchmal Jahre.«
    »Ich will mit dem Direktor sprechen.«
    »Und ich bin sicher, daß er auch mit dir sprechen will, Sam. Willst du nun deinen Anwalt sehen oder nicht?«
    »Ich habe ein Recht auf meinen Anwalt, und ich habe ein Recht auf meine Draußenstunde.«
    »Lassen Sie ihn in Ruhe, Packer!« rief Hank Henshaw, keine zwei Meter entfernt.
    »Sie lügen, Packer! Sie lügen!« setzte J. B. Guilitt von der anderen Seite hinzu.
    »Ruhe, Jungs«, sagte Packer gelassen. »Wir kümmern uns um den alten Sam.«
    »Ja, Sie würden ihn gleich heute in die Gaskammer schleppen, wenn Sie könnten«, brüllte Henshaw.
    Die Beinketten waren angelegt, und Sam schlurfte in seine Zelle, um eine Akte zu holen. Er drückte sie an die Brust und watschelte den Flur entlang, mit Packer neben sich und den beiden Wärtern im Gefolge.
    »Zeig's ihnen, Sam«, rief Henshaw, als sie davongingen. Es gab weitere aufmunternde Rufe für Sam und bissige Bemerkungen für Packer, während sie den Flur entlanggingen. Sie wurden durch zwei Türen hinausgelassen, und Abschnitt A lag hinter ihnen.
    »Der Direktor hat gesagt, du bekommst heute nachmittag zwei Draußenstunden, und zwei Stunden täglich, bis es vorbei ist«, sagte Packer, als sie langsam einen kurzen Flur entlanggingen.
    »Bis was vorbei ist?«
    »Diese Chose.«
    »Welche Chose?«
    Im Gefängnisjargon von Packer und den anderen Wärtern war Chose die Umschreibung für eine Hinrichtung.
    »Na, du weißt schon, was ich meine«, sagte Packer.
    »Sagen Sie dem Direktor, er ist ein reizender Mensch. Und fragen Sie ihn, ob ich die zwei Stunden auch bekomme, wenn aus der Chose nichts wird, okay? Und wenn Sie schon mal dabei sind, sagen Sie ihm auch, daß er ein verlogener Mistkerl ist.«
    »Das weiß er schon.«
    Sie hielten an einer Gitterwand an und warteten darauf, daß die Türen aufglitten. Sie gingen hindurch und blieben dann bei zwei Wärtern an der

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