Die Kammer
verfechten die Sache vor den höheren Gerichten. Auf diese Weise könnten wir das Ganze auf Jahre hinaus blockieren.«
»So was hat es schon einmal gegeben.«
»Was meinst du damit, daß es so was schon mal gegeben hat?«
»Texas, 1983. Fall eines gewissen Larson. Dabei wurden die gleichen Argumente vorgebracht, aber erfolglos. Das Gericht erklärte, Gaskammern gäbe es bereits seit fünfzig Jahren, und sie hätten sich zum Töten von Menschen als durchaus brauchbar erwiesen.«
»Ja, aber es gibt einen großen Unterschied.«
»Und der wäre?«
»Wir sind hier nicht in Texas. Meeks und Töle und Moac und Parris wurden nicht in Texas hingerichtet. Und außerdem ist Texas inzwischen zur tödlichen Injektion übergegangen. Sie haben ihre Gaskammern abgeschafft, weil sie eine bessere Tötungsmethode gefunden hatten. Die meisten Gaskammern sind durch bessere Technologie ersetzt worden.«
Sam stand auf und wanderte ans andere Ende des Tisches.
»Also, wenn meine Zeit gekommen ist, will ich natürlich mit der neuesten Technologie abtreten.« Er wanderte am Tisch entlang, hin und her, drei- oder viermal, dann blieb er stehen. »Es sind vier Meter fünfzig von einem Ende des Raums bis zum anderen. Ich kann vier Meter fünfzig weit laufen, ohne gegen Gitter zu stoßen. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man dreiundzwanzig Stunden am Tag in einer einsachtzig mal zwei Meter siebzig großen Zelle verbringt? Das ist Freiheit, Mann.«
Vor sich hin rauchend setzte er seine Wanderung fort, hin und her und hin und her.
Adam sah zu, wie die schmächtige Gestalt mit einer Rauchfahne hinter sich an der Tischkante entlangwanderte. Er hatte keine Socken an und trug marineblaue Duschsandalen, die beim Gehen quietschten. Plötzlich blieb er stehen, riß ein Buch aus einem Regal, warf es auf den Tisch und fing an, eifrig darin herumzublättern. Nach ein paar Minuten intensiven Blätterns hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte, und verbrachte fünf Minuten damit, es durchzulesen.
»Hier ist es«, murmelte er. »Wußte doch, daß ich das schon mal gelesen hatte.«
»Was denn?«
»Ein Fall aus North Carolina, von 1984. Der Mann hieß Jimmy Old. Offensichtlich wollte Jimmy nicht sterben. Sie mußten ihn in die Kammer schleifen, er hat um sich getreten und geweint und geschrien, und sie brauchten eine Weile, um ihn festzuschnallen. Sie schlugen die Tür zu und setzten das Gas frei, und sein Kinn knallte auf seine Brust. Dann fuhr sein Kopf hoch und begann zu zucken. Er wendete ihn den Zeugen zu, die nichts sehen konnten als das Weiß seiner Augäpfel und begann zu speicheln. Sein Kopf ruckte hin und her, eine Ewigkeit lang, während sein Körper zuckte und Schaum vor seinen Mund trat.
Es ging weiter und weiter, und einer der Zeugen, ein Journalist, mußte sich übergeben. Schließlich hatte der Direktor es satt und ließ den schwarzen Vorhang zuziehen, so daß die Zeugen nichts mehr sehen konnten. Man nimmt an, daß Jimmy Old vierzehn Minuten zum Sterben brauchte.«
»Hört sich grausam an.«
Sam klappte das Buch zu und stellte es wieder ins Regal. Er zündete sich eine Zigarette an und musterte eindringlich die Decke. »Praktisch jede Gaskammer wurde vor langer Zeit von Eaton Metal Products in Salt Lake City gebaut. Ich habe irgendwo gelesen, daß die in Missouri von Häftlingen gebaut wurde. Aber unsere kleine Kammer wurde von Eaton gebaut, und sie sind im Grunde alle gleich - aus Stahl, achteckig, mit Reihen von Fenstern hier und dort, damit die Zeugen den Tod beobachten können. Die eigentliche Kammer ist ziemlich klein, nur ein hölzerner Stuhl mit einer Menge Riemen. Direkt unter dem Stuhl steht eine Metallschüssel, und ein paar Zentimeter über der Schüssel hängt ein kleiner Beutel mit Cyanidkörnchen, die der Vollstrecker mit einem Hebel freisetzt. Er läßt auch die Schwefelsäure einfließen, die mit Hilfe des Kanisters in die Kammer geleitet wird. Der Kanister gelangt durch ein Rohr in die Schüssel, und wenn sich die Schüssel mit Säure füllt, legt er den Hebel um und läßt das Cyanid herunterfallen. Dann entsteht das Gas, das natürlich den Tod bewirkt, der natürlich auf der Stelle eintreten und schmerzlos sein soll.«
»Wurde die Gaskammer nicht entwickelt, um den elektrischen Stuhl zu ersetzen?«
»Ja. In den zwanziger und dreißiger Jahren hatten alle einen elektrischen Stuhl, und es war einfach das wundervollste Gerät, das je erfunden wurde. Ich erinnere mich, als ich ein Junge war, hatten sie
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