Die Kammer
ungemütlicher Augenblick, in dem sie einander abschätzten und keiner wußte, was er mit dem anderen anfangen sollte.
»Hallo, Sam«, sagte Adam dann und ging auf ihn zu. »Morgen. Habe uns vor ein paar Stunden im Fernsehen gesehen.«
»Ja. Hast du die Zeitung schon gelesen?«
»Noch nicht. Die kommt erst später.«
Adam ließ die Morgenzeitung über den Tisch schliddern, und Sam hielt sie auf. Er ergriff sie mit beiden Händen, ließ sich auf einen Stuhl sinken und hob die Zeitung bis auf fünfzehn Zentimeter vor seine Nase. Er las den Artikel sorgfältig und betrachtete die Fotos von sich selbst und Adam.
Todd Marks hatte offensichtlich den größten Teil des Abends damit verbracht, in den Archiven zu wühlen und hektische Telefonate zu führen. Er hatte herausgefunden, daß ein gewisser Alan Cayhall 1964 in Ford County geboren worden war und der Name des Vaters auf der Geburtsurkunde Edward S. Cayhall lautete. Er hatte die Geburtsurkunde von Edward S. Cayhall eingesehen und festgestellt, daß dessen Vater Samuel Lucas Cayhall war, der Mann, der jetzt in einer Todeszelle saß. Er berichtete, Adam Hall hätte bestätigt, daß sein Vater in Kalifornien seinen Namen geändert hätte und daß Sam Cayhall sein Großvater sei. Er hatte Adam zwar nicht direkt zitiert, aber trotzdem gegen ihre Abmachung verstoßen. Es konnte kaum ein Zweifel daran bestehen, daß sie miteinander gesprochen hatten. Unter Berufung auf ungenannte Quellen wurde berichtet, daß Eddie und seine Familie nach Sams Verhaftung 1967 Clanton verlassen hatten und nach Kalifornien geflüchtet waren, wo Eddie dann Selbstmord beging. Dort endete die Spur, weil Marks offenbar später am Tage die Zeit ausgegangen war und er keine Bestätigungen aus Kalifornien mehr hatte einholen können. Die ungenannten Quellen erwähnten nicht, daß Sams Tochter in Memphis lebte; also blieb Lee verschont. Die Story versickerte mit einer Reihe von »Kein Kommentar« von Baker Cooley, Garner Goodman, Philip Naifeh, Lucas Mann und einem Anwalt aus dem Büro des Justizministers in Jackson, doch dann kam ein beeindruckender Schluß mit einem sensationellen Rückblick auf den Kramer-Anschlag.
Die Story stand auf der Titelseite der Press, oberhalb der Hauptschlagzeile. Rechts war das uralte Foto von Sam und daneben ein merkwürdiges Foto von Adam von der Taille aufwärts. Einige Stunden zuvor hatte Lee ihm die Zeitung gebracht, als er auf der Terrasse saß und den frühmorgendlichen Verkehr auf dem Fluß beobachtete. Sie tranken Kaffee und Fruchtsaft und lasen die Story wieder und wieder. Adam war zu dem Schloß gekommen, daß Todd Marks einen Fotografen auf der dem Peabody gegenüberliegenden Straßenseite postiert haben mußte, der ihn fotografiert hatte, als er gestern nach ihrem Treffen aus dem Hotel gekommen und auf den Gehsteig hinausgetreten war. Anzug und Krawatte waren eindeutig die, die er gestern getragen hatte.
»Hast du mit diesem Kerl geredet?« knurrte Sam, während er die Zeitung auf den Tisch legte. Adam setzte sich ihm gegenüber hin.
»Wir haben uns getroffen.«
»Weshalb?«
»Weil er in unserem Büro in Memphis angerufen und gesagt hat, er hätte einige Gerüchte gehört, und ich wollte, daß alles seine Richtigkeit hat. Keine große Sache.«
»Unsere Fotos auf der Titelseite sollen keine große Sache sein?«
»Das ist für dich doch nichts Neues.«
»Und für dich?«
»Das Foto ist ohne mein Wissen aufgenommen worden. Es war ein Hinterhalt. Aber ich finde, ich sehe ziemlich flott aus.«
»Hast du ihm diese Fakten bestätigt?«
»Ja. Wir waren uns einig, daß das nur Hintergrundmaterial sein sollte und daß er mich nicht zitieren durfte. Außerdem durfte er mich nicht als Quelle benutzen. Er hat gegen unsere Abmachung verstoßen und mich aufs Kreuz gelegt. Außerdem hat er einen Fotografen mitgebracht. Also habe ich zum erstenund zum letztenmal mit der Memphis Press geredet.« Sam betrachtete einen Moment lang die Zeitung. Er war entspannt, und seine Worte kamen so langsam wie gewöhnlich.
Er brachte sogar den Anflug eines Lächelns zustande. »Und du hast bestätigt, daß du mein Enkel bist?«
»Ja. Ich kann es ja schließlich nicht gut abstreiten, oder?«
»Würdest du es denn gern abstreiten?«
»Lies den Artikel, Sam. Wenn ich es hätte abstreiten wollen stünde es dann auf der Titelseite?«
Das stellte Sam zufrieden, und sein Lächeln wurde ein wenig breiter. Er biß sich auf die Unterlippe und musterte Adam. Dann holte er langsam
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