Die Kammer
gehört.«
Sie wehrte sich nicht. Auch ihr reichte es für einen Tag. Er führte sie durch das Unkraut, um das Haus herum, die zerfurchte Einfahrt entlang, zurück zum Wagen.
Sie verließen das Cayhall-Anwesen ohne ein Wort. Die Straße verwandelte sich in Schotter und mündete dann in einen Highway. Lee deutete nach rechts, dann schloß sie die Augen, als wollte sie versuchen zu schlafen. Sie fuhren an Clanton vorbei und hielten an einem Dorfladen in der Nähe von Holly Springs an. Lee sagte, sie brauchte eine Cola, und bestand darauf, sie selbst zu holen. Sie kehrte mit einem Sechserpack Bier zum Wagen zurück und bot Adam eine Flasche an. »Was soll das?« fragte er.
»Nur zwei«, sagte sie. »Ich bin mit den Nerven am Ende. Laß mich nicht mehr als zwei trinken, okay? Nur zwei.«
»Ich glaube, du solltest das lieber bleiben lassen.«
»Die tun mir nichts«, beharrte sie mit gerunzelter Stirn und trank.
Adam fügte sich und gab Gas. In einer Viertelstunde leerte sie zwei Flaschen, dann schlief sie ein. Adam stellte die Tüte mit dem Rest auf den Rücksitz und konzentrierte sich aufs Fahren.
Er wollte plötzlich so schnell wie möglich aus Mississippi herauskommen und sehnte sich nach den Lichtern von Memphis.
27
G enau eine Woche zuvor war er mit heftigen Kopfschmerzen und einem überreizten Magen aufgewacht und gezwungen gewesen, den Speck und die fettigen Eier von Irene Lettner herunterzuwürgen. Und in den vergangenen sieben Tagen war er im Saal von Richter Slattery gewesen, in Chicago und Greenville, in Ford County und in Parchman. Er war dem Gouverneur begegnet und dem Justizminister. Mit seinem Mandanten hatte er seit sechs Tagen nicht mehr gesprochen.
Zum Teufel mit seinem Mandanten. Adam hatte bis zwei Uhr nachts auf der Terrasse gesessen, den Verkehr auf dem Fluß beobachtet und koffeinfreien Kaffee getrunken. Er erschlug Moskitos und wehrte sich gegen die überdeutlichen Bilder von Quince Lincoln, der den Leichnam seines Vaters umklammerte, während Sam Cayhall auf der Veranda stand und sein Werk betrachtete. Er konnte hören, wie Sam und seine Kumpel auf der Veranda leise lachten, während Ruby Lincoln und ihre Kinder neben der Leiche niedersanken und sie schließlich durch den Garten in den Schatten eines Baumes trugen. Er konnte Sam vor dem Haus sehen, mit den beiden Schrotflinten, wie er dem Sheriff genau erklärte, daß der verrückte Nigger ihn umbringen wollte und daß er vernünftig und in Notwehr reagiert hatte. Der Sheriff hatte natürlich keine Mühe, Sams Darstellung zu akzeptieren. Adam konnte das Flüstern der verstörten Kinder hören, Eddie und Lee, wie sie sich gegenseitig Vorwürfe machten und versuchten, mit Sams grauenhafter Tat fertig zu werden. Und er verfluchte eine Gesellschaft, die so bereitwillig Verbrechen gegen eine verachtete Klasse ignorierte.
Er hatte unruhig geschlafen, und einmal hatte er auf der Bettkante gesessen und sich selbst verkündet, daß Sam sich einen anderen Anwalt suchen konnte, daß die Todesstrafe für manche Leute, insbesondere seinen Großvater, tatsächlich angemessen war, und daß er sofort nach Chicago zurückkehren und zum zweitenmal seinen Namen ändern würde. Aber dieser Traum ging vorüber, und als er zum letztenmal aufwachte, schien die Sonne durch die Jalousien und warf Lichtstreifen auf sein Bett. Er betrachtete eine halbe Stunde lang die Zimmerdecke und die Stuckleisten an den Wänden und erinnerte sich dabei an den Ausflug nach Clanton. Heute, so hoffte er, würde er sich einen langen Sonntag morgen machen, mit einer dicken Zeitung und starkem Kaffee. Am Nachmittag würde er ins Büro fahren. Sein Mandant hatte noch siebzehn Tage.
Lee hatte ihr drittes Bier getrunken, nachdem sie in der Wohnung angekommen waren, dann war sie zu Bett gegangen. Adam hatte sie genau beobachtet, weil er halb und halb mit einer wilden Sauferei oder aber einem plötzlichen Abgleiten in den typischen Trinkerstumpfsinn rechnete. Aber sie war sehr still und gefaßt gewesen, und in der Nacht hatte er sie nicht gehört.
Er ging unter die Dusche, rasierte sich nicht und ging dann in die Küche, wo die Überreste der ersten Kanne Kaffee auf ihn warteten. Lee mußte schon eine ganze Weile früher aufgestanden sein. Er rief ihren Namen, dann ging er in ihr Schlafzimmer. Er warf schnell einen Blick auf die Terrasse, dann durchsuchte er die ganze Wohnung. Sie war nicht da. Die Sonntagszeitung lag auf dem Tisch im Wohnzimmer.
Er machte sich frischen Kaffee und
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