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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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schlau. Liegt in der Familie.«
    »Aber er ist noch sehr jung.«
    »Er ist ein kluger Junge. Hat eine vorzügliche Ausbildung. War zweiter in seinem Jahrgang in Michigan. Und Redakteur der Juristenzeitschrift.«
    »Was bedeutet das?«
    »Das bedeutet, daß er ein kluger Kopf ist. Er wird sich etwas einfallen lassen.«
    »Ist das dein Ernst, Sam? Glaubst du wirklich, daß er es schafft?« Sam übersprang plötzlich zwei schwarze Steine, und Henshaw fluchte. »Du bist ein erbärmlicher Spieler«, sagte Sam grinsend. »Wann hast du mich das letztemal geschlagen?«
    »Vor zwei Wochen.«
    »Du Lügner. Du hast mich seit drei Jahren nicht mehr geschlagen.«
    Henshaw tat einen vorsichtigen Zug, und Sam schlug ihn abermals. Fünf Minuten später war das Spiel beendet, und Sam hatte wieder gewonnen. Sie räumten das Brett ab und begannen von vorn.
    Um zwölf erschienen Packer und noch ein Wärter mit Handschellen, und der Spaß war vorüber. Sie wurden in ihre Zellen geführt, wo es gerade Mittagessen gab. Bohnen, Erbsen, Kartoffelbrei und ein paar Scheiben trockenen Toast. Sam aß weniger als ein Drittel der faden Mahlzeit auf seinem Teller und wartete geduldig auf das Erscheinen eines Wärters. Er hatte saubere Boxershorts und ein Stück Seife bereitgelegt. Es war Badezeit.
    Der Wärter kam, und Sam wurde zu einer kleinen Duschkabine am Ende des Abschnitts geführt. Einem Gerichtsbeschluß zufolge waren den Insassen der Todeszellen fünf kurze Duschen pro Woche gestattet, ob sie sie brauchten oder nicht und ob es den Wärtern gefiel oder nicht.
    Sam duschte schnell, wusch sich zweimal das Haar mit der Seife und ließ sich das warme Wasser über den Körper laufen. Die Duschkabine selbst war halbwegs sauber, allerdings wurde sie von allen vierzehn Insassen des Abschnitts benutzt, und deshalb behielt man die Plastiksandalen an den Füßen. Nach fünf Minuten kam kein Wasser mehr, aber Sam blieb noch ein paar Minuten stehen und starrte auf die leicht schimmeligen Kachelwände. Es gab ein paar Dinge im Trakt, die er nicht vermissen würde.
    Zwanzig Minuten später wurde er in einen Gefängnistransporter verfrachtet und die paar hundert Meter zur Bibliothek gefahren.
    Drinnen wartete Adam. Er zog sein Jackett aus und krempelte die Hemdärmel auf, während der Wärter Sam die Handschellen abnahm und den Raum verließ. Sie begrüßten sich und gaben sich die Hand. Sam ließ sich schnell auf einem Stuhl nieder und zündete sich eine Zigarette an. »Wo bist du gewesen?« fragte er.
    »Beschäftigt«, sagte Adam und setzte sich an die andere Seite des Tisches. »Mittwoch und Donnerstag voriger Woche war ich in Chicago. Das war ein völlig unvermuteter Ausflug.«
    »Hatte er irgend etwas mit mir zu tun?«
    »Das kann man wohl sagen. Goodman wollte den Fall mit mir durchsprechen, und außerdem lagen noch ein paar andere Dinge an.«
    »Also ist Goodman immer noch damit befaßt?«
    »Im Augenblick ist Goodman mein Boß. Wenn ich meinen Job behalten will, muß ich ihm laufend Bericht erstatten. Ich weiß, daß du ihn haßt, aber er macht sich große Sorgen um dich und deinen Fall. Ob du es glaubst oder nicht - er will nicht, daß du in der Gaskammer endest.«
    »Ich hasse ihn nicht mehr.«
    »Woher dieser Sinneswandel?«
    »Ich weiß auch nicht. Wenn man dem Tod so nahe kommt, denkt man viel nach.«
    Adam hätte gern mehr gehört, aber Sam sprach nicht weiter. Adam sah zu, wie er rauchte, und versuchte, nicht an Joe Lincoln zu denken. Er versuchte, nicht daran zu denken, daß Sams Vater bei einer Schlägerei unter Betrunkenen zu Tode geprügelt worden war, und er versuchte, auch nicht an all die anderen erbärmlichen Geschichten zu denken, die Lee ihm in Ford County erzählt hatte. Er versuchte, all diese Dinge aus seinem Kopf zu verbannen, aber er konnte es nicht.
    Er hatte ihr versprochen, keine weiteren Alpträume aus der Vergangenheit heraufzubeschwören. »Ich nehme an, du hast von unserer jüngsten Niederlage gehört«, sagte er und holte einige Papiere aus seinem Aktenkoffer. »Ging ganz schön schnell, nicht wahr?«
    »Ja. Eine ziemlich rasche Niederlage, aber ich habe bereits beim Fünften Berufungsgericht Widerspruch eingelegt.«
    »Vor dem Fünften Berufungsgericht habe ich noch nie gewonnen.«
    »Ich weiß. Aber zu diesem Zeitpunkt können wir uns das Berufungsgericht nicht aussuchen.«
    »Was können wir zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch tun?«
    »Einiges. Letzten Dienstag bin ich nach einer Verhandlung vor dem

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