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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Holzbänken und einem Basketballreifen für die Afrikaner. Sam hatte ihn Tausende von Malen sorgfältig abgeschritten und seine Messungen mit denen anderer Insassen verglichen. Der Platz war fünfzehn Meter und dreißig Zentimeter lang und zehn Meter und achtzig Zentimeter breit. Der Zaun war drei Meter hoch und wurde von weiteren fünfundvierzig Zentimeter Drahtverhau gekrönt. Außerhalb des Zauns lag ein ungefähr dreißig Meter langer Streifen Rasen; er endete am Hauptzaun, der von den Wachen auf den Türmen kontrolliert wurde.
    Sam ging in einer geraden Linie am Zaun entlang, und als er endete, drehte er sich im Winkel von neunzig Grad und setzte seinen üblichen kleinen Rundgang fort, indem er jeden Schritt auf seinem Weg zählte. Fünfzehn Meter und dreißig Zentimeter mal zehn Meter und achtzig Zentimeter. Seine Zelle maß einsachtzig mal zwei Meter siebzig, die juristische Bibliothek fünf Meter vierzig mal vier Meter fünfzig. Seine Seite des Besuchszimmers war einsachtzig breit und neun Meter lang. Man hatte ihm erzählt, daß der Kammerraum vier Meter fünfzig mal drei Meter sechzig groß war, und die eigentliche Gaskammer war ein nur knapp einen Meter zwanzig breiter Würfel.
    Im ersten Jahr seiner Inhaftierung war er um die Seiten des Platzes herumgejoggt, hatte versucht, sich in Schweiß zu bringen und sein Herz zu trainieren. Außerdem hatte er mit einem Ball Korbwerfen geübt, es aber wieder aufgegeben, als Tage vergingen, ohne daß er einen Treffer landete. Schließlich hatte er auch mit dem Trainieren aufgehört und seit Jahren diese Stunde zu nichts anderem genutzt, als die Freiheit von seiner Zelle zu genießen. Eine Zeitlang hatte er sich angewöhnt, am Zaun zu stehen und über die Felder hinweg auf die Bäume zu starren, wobei er sich alles mögliche vorstellte. Freiheit. Highways. Angeln. Essen. Gelegentlich Sex. Er sah beinahe seine kleine Farm in Ford County vor sich, nicht weit entfernt hinter zwei kleinen Wäldchen. Er träumte von Brasilien oder Argentinien oder irgendeinem anderen ruhigen Versteck, wo er jetzt eigentlich unter neuem Namen leben sollte.
    Und dann hatte er mit dem Träumen aufgehört. Er hatte aufgehört, durch den Zaun zu starren, als würde ein Wunder ihn davontragen. Er wanderte umher und rauchte, fast immer allein. Seine anstrengendste Aktivität war, Dame zu spielen.
    Die Tür wurde wieder geöffnet, und Hank Henshaw kam heraus. Packer nahm ihm die Handschellen ab, während er heftig blinzelte und auf die Erde blickte. Sobald sie frei waren, rieb er sich die Handgelenke, dann streckte er Rücken und Beine. Packer ging zu einer der Bänke und stellte eine ramponierte Schachtel darauf.
    Die beiden Männer sahen Packer nach, bis er verschwunden war, dann gingen sie zu der Bank und setzten sich rittlings darauf, mit der Schachtel zwischen sich. Sam legte bedächtig das Damebrett auf die Bank, während Henshaw die Steine zählte.
    »Ich bin an der Reihe mit Weiß«, sagte Sam.
    »Du hast beim vorigen Mal Weiß gehabt«, sagte Henshaw und starrte ihn an.
    »Beim vorigen Mal hatte ich Schwarz.«
    »Nein, ich hatte Schwarz beim vorigen Mal. Heute bin ich mit Weiß an der Reihe.«
    »Hör zu, Hank, ich habe noch sechzehn Tage, und wenn ich Weiß haben möchte, dann bekomme ich Weiß.«
    Henshaw zuckte die Achseln und gab nach. Sie stellten ihre Steine sorgfältig auf.
    »Ich nehme an, du hast den ersten Zug«, sagte Henshaw. »Natürlich.« Sam schob einen Damestein auf ein leeres Feld, und das Spiel hatte begonnen. Die Mittagssonne brachte die Erde um sie herum zum Glühen, und binnen Minuten klebten ihnen die roten Overalls am Rücken. Beide trugen Duschsandalen ohne Socken.
    Hank Henshaw war jetzt einundvierzig. Er saß seit sieben Jahren im Todestrakt, würde aber vermutlich nicht in die Gaskammer kommen. Bei seinem Prozeß waren zwei entscheidende Fehler gemacht worden, und Henshaw hatte gute Aussichten, daß das Urteil aufgehoben wurde und er den Todestrakt verlassen konnte.
    »Schlechte Neuigkeiten gestern«, sagte er, während Sam über seinen nächsten Zug nachdachte.
    »Ja. Sieht nicht gerade rosig aus, was?«
    »Nein. Was sagt dein Anwalt?« Keiner von beiden schaute vom Damebrett auf.
    »Er sagt, noch besteht Aussicht auf Erfolg.«
    »Was zum Teufel heißt das?« fragte Henshaw, während er einen Zug tat.
    »Ich glaube, es bedeutet, daß sie mich vergasen werden, aber ich werde mit fliegenden Fahnen untergehen.«
    »Weiß der Junge, was er tut?«
    »Oh ja. Er ist

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